Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1104
Die Hauptversammlung ist nach § 121 Abs. 1 AktG in den durch Gesetz und Satzung bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert.
Einzuberufen ist die Hauptversammlung primär, wenn eine sachliche Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung besteht. Dies ist in den in § 119 Abs. 1 AktG genannten Fällen zu bejahen. Zuständig ist die Hauptversammlung auch, wenn es um Strukturentscheidungen geht, so etwa bei Satzungsänderungen (§ 179 AktG), Kapitalmaßnahmen (§§ 182 ff. und 222 ff. AktG), Gesamtvermögensgeschäften (§ 179a AktG), den Abschluss und Änderung von Unternehmensverträgen (§§ 291 ff. AktG), Eingliederungen (§§ 319 ff. AktG), Squeeze-Out (§ 327a AktG), bei Umwandlungsvorgängen nach dem UmwG, Übernahmeangeboten nach dem WpÜG oder bei der Liquidation der Gesellschaft (§§ 262 ff. AktG). Eine neue Zuständigkeit besteht bei börsennotierten Gesellschaften im Rahmen des sog. "Say on Pay" über der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat gem. §§ 120a, 162 AktG (Votum zum Vergütungssystem und zum Vergütungsbericht).
Rz. 1105
In Geschäftsführungsmaßnahmen besteht grds. keine Zuständigkeit, es sei denn der Vorstand legt die Frage der Hauptversammlung gem. § 119 Abs. 2 AktG zur Entscheidung vor. Anders ist es bei Geschäftsführungsmaßnahmen, die wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Gesellschaft den gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen nahekommen und daher ebenfalls "in offener Rechtsfortbildung" eine originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung begründen. In Betracht kommen hier die sog. "Holzmüller-Fälle", und die Börseneinführung (s. dazu eingehend unten Rdn 1924 ff.).
Rz. 1106
Einzuberufen ist die Hauptversammlung auch, wenn es um eine Verlustanzeige nach § 92 Abs. 1 AktG geht oder ein Minderheitsverlangen nach § 122 AktG gestellt wurde (s.o. Rdn 1074).
Rz. 1107
Die Hauptversammlung muss weiter einberufen werden, wenn ein durch die Satzung bestimmter Einberufungsgrund vorliegt. Wegen § 23 Abs. 5 AktG hat dies nur eine geringe praktische Bedeutung, z.B. die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien (§ 68 Abs. 2 Satz 3 AktG).
Rz. 1108
Ohne Bedeutung ist auch die Einberufung der Hauptversammlung zum Wohle der Gesellschaft (§ 121 Abs. 1 AktG). I.R.d. Beschlusskompetenz der Hauptversammlung liegt in dieser Bestimmung ähnlich wie in § 111 Abs. 3 AktG keine selbstständiger Einberufungsgrund; der Vorstand entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen.
Hinweis
Wird die Hauptversammlung nicht einberufen, obwohl ein Einberufungsgrund vorliegt, verstößt der Vorstand gegen seine Pflichten nach § 93 AktG. Weitere Rechtsfolgen hat dies jedoch nicht. Nach § 122 AktG kann jedoch eine Minderheit die Hauptversammlung einberufen. Wird umgekehrt die Hauptversammlung ohne Grund einberufen, entstehen zwar Kosten. Die gefassten Beschlüsse sind weder nichtig noch anfechtbar.
Rz. 1109
Zulässig ist auch eine sog. beschlusslose Hauptversammlung, etwa wenn es darum geht, im Rahmen einer vorweg einberufenen Hauptversammlung die Aktionäre zu unterrichten oder Aktionärsmeinungen einzuholen, um Beschlüsse einer künftigen Hauptversammlung vorzubereiten.