Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1064
Die Beschlussfassung über einen eigenen Tagesordnungspunkt und die entsprechende Bekanntmachung in der Einberufung (§ 124 Abs. 4 AktG) kann der einzelne Aktionär verlangen, wenn er mit mindestens 5 % oder einem anteiligen Betrag von 500.000 EUR an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 122 Abs. 2 AktG). Dem Ergänzungsantrag ist eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beizufügen (§ 122 Abs. 2 Satz 2 AktG). Auch eine Ergänzung um einen beschlusslosen Tagesordnungspunkt ist möglich.
(1) Antragsfrist
Rz. 1065
Der Ergänzungsantrag ist nach § 122 Abs. 2 AktG mindestens 30 Tage vor der Versammlung einer börsennotierten AG zu stellen. Er kann auf einen beschlusslosen Diskussionspunkt zielen. Er ist nach § 124 Abs. 1 AktG unverzüglich bekannt zu machen und zwar so, wie die Verwaltungsvorschläge bekannt gemacht wurden. Durch die 30-Tagesfrist ist sichergestellt, dass der Antrag vor dem Record Date des § 123 Abs. 3 AktG bekannt gemacht wird. Zum andern kann die geänderte Tagesordnung in den Mitteilungen gem. § 125 AktG – ohne die Gefahr einer Doppelversendung – aufgenommen werden. Zu einem Gleichlauf der Einberufung mit dem Stichtag für den Antrag kommt es nicht, weil die Anmelde- oder Nachweisfrist nur die Einberufungsfrist verlängert und börsennotierte AG im Regelfall eine Anmeldung vorsehen. Damit hat die Minderheit mindestens die Tageszahl der Anmeldefrist zur Antragsvorbereitung. Für nicht börsennotierte Gesellschaften beträgt die Antragsfrist 24 Tage (§ 122 Abs. 2 AktG).
(2) Vorbesitz
Rz. 1066
§ 122 Abs. 2 AktG verweist für das Recht auf Ergänzung der Tagesordnung auf § 122 Abs. 1 AktG. Danach haben die Antragsteller nachzuweisen, dass sie seit mindestens 90 Tagen vor dem Tag des Zugangs des Minderheitsverlangens bei der Gesellschaft Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung des Vorstands über den Antrag halten. Für die Fristberechnung gilt § 121 Abs. 7 AktG.
Rz. 1067
Str. ist, ob diese "Haltefrist" zu den Fristangaben, auf die nach § 121 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 letzter Halbs. AktG in der Einberufung einer börsennotierten AG zusätzlich hinzuweisen ist. Die h.M. verneint dies, denn dabei gehe es um die Voraussetzungen für den Erwerb der Aktionärsrechte, nicht um ihre Ausübung.
Rz. 1068
§ 122 Abs. 1 Satz 3 AktG stellt für die Berechnung der Haltefrist auf den Zugang des Ergänzungsverlangens bei der Gesellschaft ab.
Rz. 1069
Ungeklärt ist, ob für Ergänzungsanträge überhaupt das Vorbesitzerfordernis gilt. Der Gesetzgeber hat dies in der Gesetzesbegründung zur Aktienrechtsnovelle 2016 ohne nähere Ausführungen bejaht.
Zur alten Rechtslage vertrat die h.M. wegen der Verweisung in § 122 Abs. 1 AktG a.F. auf § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass das Erfordernis der Vorbesitzzeit und des Haltens der Aktien über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus auch für den Ergänzungsantrag gelte. Diese Auffassung war schon nach altem Recht unzutreffend. Die Verweisung ("in gleicher Weise") betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Modalitäten der Antragstellung. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Aktionärsrechterichtlinie ist das Vorbesitzerfordernis außerdem richtlinienwidrig. Nach Art. 6 Abs. 2 kann die Ausübung des Rechts auf Ergänzung der Tagesordnung an ein Quorum von höchstens 5 % des Grundkapitals geknüpft werden und nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 kann eine schriftliche Ausübung vorgesehen werden. Weitere Erschwernisse und Anforderungen dürfen die Mitgliedstaaten jedoch nicht vorsehen. Die Richtlinie gibt einen Höchst- und keinen Mindeststandard vor, da dies dem von der Richtlinie intendierten Level Playing Field für Aktionäre widerspricht.