Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 368
Bei Rechtsgeschäften über die Übertragung des (nahezu) gesamten Gesellschaftsvermögens ist die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer insofern eingeschränkt, als dass der Abschluss des Rechtsgeschäfts einem Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung unterliegt. Kommt der Geschäftsführer der Pflicht zur Einholung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 49 Abs. 2 GmbHG) nicht nach, bleibt dies für im Außenverhältnis ohne Auswirkungen – der Rechtsverkehr kann auf die unbeschränkte Vertretungsmacht gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG vertrauen. Allerdings nimmt der BGH an, dass der Vertragspartner wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht daran gehindert sein könne, Rechte aus einem unter Verletzung des Zustimmungsvorbehalts geschlossenen Vertrag herzuleiten. Dies soll auch unterhalb der Schwelle der Kollusion gelten, nämlich wenn es sich dem Vertragspartner aufdrängen müsse, dass der Geschäftsführer einen Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung verletzt, was häufig anzunehmen sei, wenn das gesamte Unternehmen als solches übertragen werden soll. Damit werden insbesondere für die Transaktionspraxis – man denke an die Veräußerung der einzigen Beteiligung durch ein Special Purpose Vehicle oder der Immobilie durch die Projektgesellschaft – Folgeprobleme geschaffen. Die Frage, ob ein "besonders bedeutsames Geschäft" vorliegt, stellt sich nun nicht mehr allein mit Blick auf eine Haftung des Geschäftsführers, sondern muss vom Vertragspartner mit gewisser Sicherheit verneint werden können, um auf die Wirksamkeit des Geschäfts im Außenverhältnis vertrauen zu können.
Auch nachdem seit der Entscheidung des II. Senats vom 8.1.2019 geklärt ist, dass – anders als in der Vergangenheit in der Lit. befürwortet – § 179a AktG auf die GmbH nicht analog anwendbar ist, ist in der Praxis ist daher (weiter) zu empfehlen, in Fällen, die das wesentliche Gesellschaftsvermögen betreffen könnten, vorsorglich einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss einzuholen. Für den Zustimmungsbeschluss gelten die allgemeinen Regeln; insbesondere besteht keine Beurkundungspflicht, wie diese im Schrifttum analog §§ 179a, 130 Abs. 1 AktG in der Vergangenheit angenommen worden war.
Wird durch ein (Gesamtvermögens)Geschäft eine dauernde Unterschreitung des Gesellschaftszwecks herbeigeführt (etwa bei Veräußerung der im Unternehmensgegenstand konkret bezeichneten Beteiligung oder Wandlung einer operativen Gesellschaft in eine bloße Holding durch Übertragung des Geschäftsbetriebs auf eine Tochtergesellschaft), ist dies die Vertretungsmacht des Geschäftsführers und damit für die Wirksamkeit des Geschäfts im Außenverhältnis irrelevant. Die im angloamerikanischen Rechtskreis anerkannte ultra vires-Doktrin, wonach die Handlungsfähigkeit des Verbandes nach außen durch den Verbandszweck begrenzt wird, ist dem deutschen Gesellschaftsrecht fremd. Es sollte allerdings schon im Eigeninteresse der Geschäftsführung sein, die Vornahme satzungswidriger Geschäfte (Satzungsüberschreitungen) zu unterlassen. Ist mit dem beabsichtigten Geschäft eine dauerhafte Abweichung vom Gesellschaftszweck verbunden, ist die Satzung daher vorab unter Einhaltung der Form des § 53 GmbHG zu ändern. Ein bloßer zustimmender Gesellschafterbeschluss zur Schaffung eines dauerhaft satzungswidrigen Zustandes wäre dagegen unabhängig von der Form der Beschlussfassung seinerseits mit dem Risiko der Unwirksamkeit behaftet. Der Geschäftsführer wäre daher weiter einem Haftungsrisiko wegen Überschreitung seiner Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis ausgesetzt. Mit der Wirksamkeit des Geschäfts im Außenverhältnis hat dies jedoch nichts zu tun.