Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 93
Eine Mantelgesellschaft ist eine existente, früher unternehmerisch tätige, jetzt aber unternehmens- und oft auch vermögenslose Gesellschaft, bei der es noch nicht zum Insolvenzverfahren oder zur Amtslöschung nach § 393 FamFG gekommen ist.
Rz. 94
Der BGH definiert "Mantelgesellschaften" wie folgt:
Zitat
(...) Verwendung des “alten‘ Mantels einer existenten, im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstandes tätig gewesenen, jetzt aber unternehmenslosen, leeren GmbH (...). Auch die Verwendung eines solchen alten, leer gewordenen Mantels einer GmbH stellt wirtschaftlich eine Neugründung dar. Als wirtschaftliche Neugründung ist es anzusehen, wenn die in einer GmbH verkörperte juristische Person als unternehmensloser Rechtsträger (“Mantel‘) besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Dabei macht es bei wertender Betrachtung keinen Unterschied, ob die Unternehmenslosigkeit i.S. des Fehlens eines Geschäftsbetriebes – wie bei der “offenen‘ Vorratsgründung – von Anfang an vorgesehen ist und sodann die Gesellschaft erstmals den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens aufnimmt, oder ob sie – wie bei den sog. alten Gesellschaftsmänteln – darauf beruht, dass der Betrieb eines (ursprünglich) vorhandenen Unternehmens mittlerweile eingestellt bzw. endgültig aufgegeben worden ist und sodann der gleichsam als “inhaltslose Hülle‘ fortbestehenden juristischen Person ein neues Unternehmen “implantiert‘ wird (...).
Rz. 95
Die Entstehungsgründe von Mantelgesellschaften sind vielfältig. Teilweise handelt es sich dabei um Gesellschaften mit voll eingezahltem Stammkapital, mit denen einmal ein bestimmtes Geschäft tatsächlich beabsichtigt war, das sich aber zerschlagen hat (z.B. Gründung zum Zweck einer Unternehmensakquisition oder als Auffanggesellschaft). Bei diesen Gesellschaften dürfte die Ausgangslage derjenigen der offenen Vorratsgesellschaft gleichzusetzen sein. In anderen Fällen handelt es sich um ehemals – z.T. vor zehn und mehr Jahren – aktive Gesellschaften, deren Unternehmen eingestellt/weggefallen oder erledigt ist (z.B. Projektgesellschaften). Hier ist häufig das Stammkapital weder in Barmitteln noch auf andere Weise vollständig oder auch nur teilweise vorhanden. Im Gegenteil "schleppt" die Gesellschaft nicht selten kaum Eigenkapital, sondern nur noch Verlustvorträge "mit sich herum". Die "unternehmenslosen" Zeiten reichen von mehreren Wochen bis zu vielen Jahren. Nicht selten begegnen dem Praktiker Gesellschaften, die nur noch ganz unwesentliche Geschäfte tätigen, wie z.B. das Halten einer Kleinstbeteiligung an einer Drittgesellschaft, im Rahmen ihres satzungsmäßigen Gegenstandes aber nicht mehr tätig sind.
Bis zur Einführung des mittlerweile aufgehobenen § 8 Abs. 4 KStG a.F. und der weiteren Einschränkung durch § 8c KStG lag der besondere Reiz zum Erwerb dieser Gesellschaften in der Verwendung ihrer häufig hohen, steuerlich nutzbaren Verlustvorträge. Unter den derzeitigen steuerlichen Gegebenheiten können etwa vorhandene Verlustvorträge jedoch in der Regel nicht genutzt werden.
Mantelgesellschaften können überschuldet sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn sog. Firmenbestatter Anteile gegen Zahlung übernehmen, dann den Gesellschaftssitz verlegen und dem ehemaligen Anteilsinhaber das Insolvenzverfahren "ersparen" wollen. Es handelt sich hier allerdings um den strafrechtlich relevanten Aufkauf insolvenzfähiger Gesellschaften.
Mantelgesellschaften werden auch nachgefragt, weil man mit einer bereits lange existierenden Gesellschaft hofft, bei Ausschreibungen berücksichtigt zu werden. Es soll eine "Firmenhistorie" geschaffen werden. Teilweise sind die Mantelgesellschaften auch deswegen von Interesse, weil sie noch über Vermögenswerte wie Lizenzen, Milchquoten etc. verfügen, die nicht einzeln übertragbar sind. Die Grundsätze zur wirtschaftlichen Neugründung sind auch dann zu beachten, wenn im Rahmen eines Insolvenzplans die Option zur Fortsetzung geschaffen wird und dann der insolvente Rechtsträger wieder werbend tätig werden will.