Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 746
Nach Feststellung der Satzung und der Übernahme aller Aktien durch die Gründer im Gründungsprotokoll entsteht die sog. Vor-AG oder auch Gründungsgesellschaft genannt (AG i.G.). Bis zur Eintragung im Handelsregister ergeben sich vielfältige Haftungsrisiken für die Gründer, wenn die Vor-AG ihre Geschäftstätigkeit bereits aufgenommen hat. Zwar gehen die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften im Gründungsstadium – anders als von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vor-AG – mit Eintragung der AG ohne Weiteres von der Vor-Gesellschaft auf die AG über. Beim Scheitern der Eintragung wie auch beim Verbrauchen des Grundkapitals bis zur Eintragung der AG gilt jedoch das vom BGH für die Vor-GmbH entwickelte Haftungskonzept der Unterbilanz- und Verlustdeckungshaftung entsprechend.
aa) Unterbilanzhaftung
Rz. 747
Kommt es zur Eintragung der AG ins Handelsregister, obgleich der Wert des Gesellschaftsvermögens abzgl. des in der Satzung festgelegten Gründungsaufwands etwa wegen vorzeitiger Geschäftsaufnahme hinter dem in der Satzung festgesetzten Grundkapitals zurückbleibt, haften die Gründer-Gesellschafter, die den Vorstand zur Geschäftsaufnahme ermächtigt haben, anteilig im Verhältnis ihrer Kapitalanteile ggü. der Gesellschaft. Diese Unterbilanzhaftung erstreckt sich auch auf ein korporatives Agio. Bei der AG hat das Agio anders als bei der GmbH Eigenkapitalcharakter. Es besteht ein System der Innenhaftung, sodass Gläubiger der Gesellschaft die Gründer nicht unmittelbar in Anspruch nehmen können, es sei denn, es liegt eine Einpersonengesellschaft vor oder die Gesellschaft verfügt über kein Vermögen mehr. Der Umfang der so auszugleichenden Unterbilanz wird durch eine auf den Tag der Eintragung im Handelsregister festgestellte Vermögensbilanz ermittelt. Hierbei ist eine Einzelbewertung der Vermögensbestandteile nach Fortführungsgrundsätzen, nicht aber der Wert des Unternehmens als Ganzes festzustellen. Eine Bewertung des Unternehmens im Ganzen ist nur dann angezeigt, wenn die Ingangsetzung der Vorgesellschaft in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung im Handelsregister durch Aufnahme der Geschäftstätigkeit bereits ausnahmsweise zu einer Organisationseinheit geführt hat, die als Unternehmen anzusehen ist, das – über seine einzelnen Vermögenswerte hinaus – einen eigenen Vermögenswert repräsentiert. Ein solcher Sonderfall liegt bei einem sog. "Start-up-Unternehmen", das auf dem Gebiet des neuen Marktes agieren wollte, nicht vor. Dieser Anspruch wegen Unterbilanzhaftung geht ebenso wie der ursprüngliche Einlageanspruch auch nicht automatisch "durch Zweckerreichung" unter, wenn die Gesellschaft nach dem Stichtag aus anderen Gründen über ein die Grundkapitalziffer deckendes Vermögen verfügt, etwa über nicht ausgeschüttete Gewinne oder über eine auflösungsfähige Kapitalrücklage. Vielmehr unterliegt dieser Anspruch aus Unterbilanzhaftung denselben strengen Regeln über die Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld. Der Fehlbetrag kann daher nur durch Auffüllung des Gesellschaftsvermögens mittels (erneuter) Leistung der Einlage getilgt werden. Anders als im Ergebnis bei der GmbH haften die Gründer jedoch nicht auf den gesamten Fehlbetrag als Gesamtschuldner, sondern nur anteilig entsprechend ihrer Beteiligung am Grundkapital.
Nach Auffassung des BGH droht die Unterbilanzhaftung nur denjenigen Gründern, die mit dem vorzeitigen Geschäftsbeginn einverstanden waren bzw. dies zumindest konkludent gebilligt haben. Nach a.A. kommt es hierauf jedoch nicht an, da auch sonst die Vertretungsbefugnis des Vorstands der Vor-AG nicht von der Zustimmung der Gründer abhängig sei.
Hinweis
Anders als bei der GmbH haften die Gründer einer AG nicht auf den gesamten Fehlbetrag, sondern nur anteilig entsprechend ihrer Beteiligung am Grundkapital. Ob es im Aktienrecht eine Ausfallhaftung, wie sie § 24 GmbHG vorsieht, gibt, ist streitig.