Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 101
Neben der Frage der Anwendung der Kapitalaufbringungsregeln für die Gründung stellt sich die weitere Frage nach der Anwendung der Gründerhaftung.
(1) Gründerhaftung
Rz. 102
Zur Gründerhaftung hat der BGH mit seinem Urt. v. 7.7.2003 bestätigt, dass sowohl bei der Verwendung eines inhaltslosen Mantels wie auch bei der Verwendung einer Vorratsgesellschaft ("wirtschaftliche Neugründung") die Gründungsvorschriften und somit auch die Gründerhaftung erneut anzuwenden sind.
Rz. 103
Offen war aber der Zeitpunkt, mit dem die Phase der wirtschaftlichen Neugründung endet. Der BGH verpflichtet die Geschäftsführer der wirtschaftlich neu gegründeten GmbH durch eine Anmeldung beim Handelsregister die Verwendung der Vorratsgesellschaft/des Mantels offen anzuzeigen und zu versichern, dass das satzungsmäßige Stammkapital vorhanden ist. Eine unterlassene Anzeige wurde nach allgemeinem Verständnis der BGH-Entscheidungen wie folgt sanktioniert: Bis zum Zeitpunkt der Offenlegung, den der BGH als Eingang der Registeranmeldung/Offenlegung der Aufnahme des Geschäftsbetriebes beim Handelsregister definiert, und der damit verbundenen Erklärung über das Vorhandensein des satzungsmäßigen Stammkapitals traf die Gesellschafter die volle Unterbilanzhaftung (sowie die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG).
Rz. 104
Der II. Zivilsenat des BGH hat 2012 klargestellt, dass auch bei unterlassener Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung die Haftung der Gesellschafter einer GmbH auf den Umfang einer Unterbilanz begrenzt ist, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung tritt. Eine Gewährleistung der Unversehrtheit des Stammkapitals über diesen Zeitpunkt hinaus sei bei der ordnungsgemäß offengelegten wirtschaftlichen Neugründung nicht veranlasst. Anders als bei der rechtlichen Gründung, die erst mit der Eintragung vollzogen ist (vgl. § 11 Abs. 1 GmbHG), bedürfe bei der Verwendung einer Vorratsgesellschaft oder eines leeren Gesellschaftsmantels der bereits früher als GmbH wirksam entstandene Rechtsträger zu seiner weiteren rechtlichen Existenz keiner zusätzlichen "konstitutiven" Eintragung mehr.
Rz. 105
Unklar ist jedoch, welche Bedeutung nun noch die Offenlegung hat. Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass er von der Verpflichtung der Geschäftsführer zur Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht und zur Abgabe der Versicherung nach § 8 Abs. 2 GmbHG, trotz Vorverlegung der Haftungszäsur, nicht abgewichen ist. Diese Verpflichtung diene dem haftungsrechtlich durch § 9a GmbHG sanktionierten Schutz des Rechtsverkehrs vor reaktivierten Gesellschaften ohne Mindestkapitalausstattung analog § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG. Inwieweit die Nichterfüllung dieser Anforderungen das Registergericht berechtigt, im Rahmen seiner präventiven Eintragungskontrolle die Eintragung neugründungsbedingter Satzungsänderungen abzulehnen, ist unklar. Solange jedoch die wirtschaftliche Neugründung ohne Satzungsänderung erfolgt, bleibt ein Unterlassen der Offenlegung faktisch sanktionslos. Es gibt auch Vorratsgesellschaften bei deren Verwendung Satzungsänderungen und ein dementsprechender Registervollzug nicht erforderlich sind, so insb. bei Konzern-Vorrats-Töchtern, die als Unternehmensgegenstand das Halten und Verwalten von Beteiligungen vorsehen und genau zu diesem Zweck dann auch eingesetzt werden. Auch bei der Mantelverwendung kann das Leben, welches dem leeren Mantel "eingehaucht" wird, zufällig mit dem Unternehmensgegenstand der früheren Gesellschaft übereinstimmen. Werden keine Veränderungen bei der Satzung vorgenommen, so ist schlichtweg "anzumelden", dass die bisher als Vorrats-/Mantelgesellschaft existente Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb (wieder) aufgenommen hat. Insofern klafft zwischen Gründungsrecht und wirtschaftlicher Neugründung eine registerrechtliche Diskrepanz. Im Übrigen handelt es sich bei der wirtschaftlichen Neugründung um keine eintragungspflichtige Tatsache, weshalb die Zäsurwirkung genauso unabhängig von der Entscheidung des Registergerichtes, wie auch vom Wahrheitsgehalt der Versicherung eintritt.
Rz. 106
Der Anspruch aus der Unterbilanzhaftung kann nur durch eine gezielte Zahlung auf die offene Forderung der Gesellschaft aus der Unterbilanz zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung getilgt werden. Hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei der originären Gründungsphase. Macht also die Gesellschaft nach Wiederaufnahme der unternehmerischen Tätigkeit Gewinne, die z.B. thesauriert wurden, beseitigt dies die Unterbilanz nicht. Der Unterbilanzhaftungsanspruch muss in der Bilanz ausgewiesen werden und wird nicht automatisch mit Zahlungen in die Rücklagen verrechnet.
Rz. 107
Die Konsequenzen einer falschen Versicherung des Geschäftsführers bei der wirtschaftlichen Neugründung hat der BGH mit Urt. v. 12.7.2011 klargestellt. Zivilrechtlich kann die GmbH Ersatzansprüche aus § 9a GmbHG geltend machen. Wegen des strengen Analogieverbotes i...