Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1993
Die Organe der insolventen Gesellschaft bestehen fort. Von daher kann die Amtsniederlegung durch den Vorstand ggf. rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Gesellschaft sonst handlungsunfähig werden würde. Der Vorstand wird in seiner Zuständigkeit zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft jedoch durch den Insolvenzverwalter verdrängt. Die Befugnisse des Vorstands beschränken sich auf das nicht von der Insolvenz betroffene Innenverhältnis der Gesellschaft sowie auf nicht in die Insolvenzmasse fallendes Vermögen. Da eine Freigabe durch den Insolvenzverwalter auch in der Insolvenz einer juristischen Person zulässig ist, ist verwaltungs- und verfügungsbefugt über das freigegebene Vermögen wieder der Vorstand der AG. Eine zusätzliche Liquidatorenbestellung ist nicht erforderlich.
Rz. 1994
Der Insolvenzverwalter ist aber berechtigt, die Anstellungsverträge nach Maßgabe des § 113 InsO ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Dauer zu kündigen. Vollmachten (auch Prokuren) erlöschen mit Insolvenzeröffnung von Gesetz wegen (§ 117 InsO). Der Insolvenzverwalter kann neue Vollmachten erteilen. Ob der Insolvenzverwalter auch Prokura erteilen kann ist fraglich. Da aber nach § 48 Abs. 1 HGB auch die gesetzlichen Vertreter des Inhabers des Handelsgeschäfts Prokura erteilen können, der Begriff des gesetzlichen Vertreters in § 48 Abs. 1 HGB weitgefasst wird, sodass auch der Testamentsvollstrecker darunter fällt, dürfte auch der Insolvenzverwalter berechtigt sein, Prokura zu erteilen.
Rz. 1995
Die Mitglieder des Aufsichtsrates behalten ihr Amt auch während des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter kann den Aufsichtsrat nicht abberufen. Der Aufsichtsrat hat aber ggü. dem Insolvenzverwalter keine Kontrollbefugnisse. Der Aufsichtsrat kann jedoch den Vorstand abberufen und einen neuen Vorstand bestellen. Mangels Liquidation der Gesellschaft besteht eine Zuständigkeit der Hauptversammlung nach § 265 Abs. 2 AktG für die Bestellung von Liquidatoren nicht. Auch bleibt die Befugnis des Aufsichtsrates bestehen, nach § 111 Abs. 3 AktG eine Hauptversammlung einzuberufen. Str. ist, ob der Aufsichtsrat auch für die Zeit nach Insolvenzeröffnung noch das Recht zur Herabsetzung der Vorstandsbezüge nach § 87 Abs. 2 AktG wegen Unbilligkeit hat. Nach h.M. steht dieses Recht dem Insolvenzverwalter zu. Der BGH hat diese Frage bislang offengelassen.
Rz. 1996
In der Insolvenz der Gesellschaft kann ebenso eine Hauptversammlung durchgeführt werden. Darin können u.a. neue Aufsichtsratsmitglieder gewählt (§ 101 AktG) oder abberufen (§ 103 AktG) sowie über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 120 AktG) beschlossen werden. Insbesondere kann die Hauptversammlung in der Insolvenz über masseunabhängige, neutrale Maßnahmen beschließen.
Rz. 1997
Schließlich bleibt auch die Zuständigkeit der Hauptversammlung oder des Vorstands erhalten, die Zustimmung zur Übertragung vinkulierten Aktien zu erteilen. Vor dem Hintergrund der "Holzmüller"-Entscheidung des BGH und der Folgerechtsprechung "Gelatine" dürfte auch eine Zuständigkeit der Hauptversammlung bejaht werden können zur Vorlage eines Insolvenzplans bzw. zur Stellung eines Antrags auf Einstellung des Verfahrens.
Rz. 1998
Zuständig für die Einberufung der Hauptversammlung ist und bleibt allein das nach Gesetz oder Satzung hierfür zuständige Organ der Gesellschaft, regelmäßig also der Vorstand bzw. die Minderheit nach § 122 AktG, nicht aber der Insolvenzverwalter. Die InsO hat dem Insolvenzverwalter keine Kompetenzen im innerverbandlichen Bereich zugewiesen. Die Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane wird nur im Bereich der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse nach § 80 InsO verdrängt, und zwar sowohl bei einer Fremdverwaltung wie auch bei einer Eigenverwaltung. Etwa in einer vom Insolvenzverwalter einberufenen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse sind daher nach §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 2 AktG nichtig, soweit nicht die Voraussetzungen einer Vollversammlung vorliegen. Der Insolvenzverwalter ist lediglich berechtigt, die Einberufung einer Hauptversammlung anzuregen.