Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 863
Der Vorstand ist organschaftlicher Vertreter der AG (§ 78 Abs. 1 AktG) § 78 Abs. 2 AktG geht bei der Aktivvertretung vom Prinzip der Gesamtvertretung aus; bei der Entgegennahme von Willenserklärung gilt Einzelvertretungsbefugnis. Nach § 78 Abs. 3 AktG kann die Satzung oder der Aufsichtsrat qua Satzungsermächtigung bei der Aktivvertretung davon abweichen. Zulässig ist die Einzelvertretung durch einzelne Vorstandsmitglieder (zwingend bei nur einem Vorstand) oder etwa durch zwei Vorstandsmitglieder ohne Mitwirkung der anderen Vorstände (gemeinschaftliche Vertretung), für die es dann bei der Gesamtvertretungsbefugnis verbleibt. Gestattet ist ebenso die unechte Gesamtvertretung, bei der einzelne gesamtvertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder die Gesellschaft gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten. In diesem Fall richtet sich der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen nach der des Vorstands. Schließlich ist auch eine Einzelermächtigung einzelner Gesamtvertreter (Vorstände/Prokuristen) nach § 78 Abs. 4 AktG zur alleinigen Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte oder bestimmter Arten von Rechtsgeschäften möglich. In der Ermächtigung liegt eine Erweiterung der Gesamtvertretungsbefugnis zur Einzelvertretungsbefugnis. Der zu Ermächtigende kann dabei selbst mitwirken. Zum Widerruf sind alle an der Erteilung beteiligten Gesamtvertreter berechtigt, und zwar jeder allein. Scheidet einer der Ermächtigenden aus dem Vorstand aus, erlischt die Ermächtigung.
Die organschaftliche Vertretungsmacht steht dem Vorstand mit Beginn seiner Amtsstellung zu. Die Anmeldung zum Handelsregister nach § 81 AktG hat nur deklaratorische Wirkung.
Rz. 864
Ist der mehrgliedrige Vorstand unterbesetzt, wird davon die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft selbst nicht tangiert, soweit ein Handeln von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl genügt und diese Zahl vorhanden ist. Wird der Vorstand als Kollegialorgan tätig, wie insb. in den Fällen der §§ 90–92, 121 Abs. 2, 170 Abs. 1 und 2, 172, 245 Nr. 4 AktG, ist der Vorstand handlungsunfähig.
Rz. 865
Der Umfang der Vertretungsmacht des Vorstands ist nach § 82 Abs. 1 AktG grds. unbeschränkt.
Es gibt zwei bedeutende Ausnahmen: Geht es um die Vertretung der Gesellschaft ggü. einem aktiven, ausgeschiedenen oder künftigen Vorstand, wird die Gesellschaft zwingend durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG). Bei Verträgen mit Aufsichtsratsmitgliedern zu Tätigkeiten höherer Art (z.B. Beraterverträge, Rechtsanwaltsmandate) ist nach § 114 AktG Wirksamkeitsvoraussetzung die Zustimmung des Aufsichtsrats (s.u. Rdn 935 ff.).
Daneben ist in bestimmten Fällen von Gesetzes wegen zusätzlich die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich, so etwa in §§ 50 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Satz 1, 93 Abs. 4 Satz 3, 179a, 293 AktG. Auch besteht ein allerdings nur im Innenverhältnis wirkender Zustimmungsvorbehalt für den Aufsichtsrat i.R.d. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Zur Festsetzung solcher Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind Satzung und Aufsichtsrat unabhängig voneinander befugt. In der Satzung angeordnete Zustimmungsvorbehalte kann der Aufsichtsrat nicht aufheben. Umgekehrt kann die Satzung den Aufsichtsrat nicht davon abhalten, über die Satzung hinaus weitere Zustimmungsvorbehalte anzuordnen.
Rz. 866
Insichgeschäfte können dem Vorstand wegen § 112 AktG nur gestattet werden, soweit es um eine Mehrfachvertretung geht, nicht aber im Fall des Selbstkontrahierens (S. dazu ausführlich u. Rdn 920 ff.). Nach einer Ansicht führt ein Verstoß gegen § 112 AktG zur Nichtigkeit; die neuere nunmehr wohl herrschende Ansicht nimmt nur schwebende Unwirksamkeit an, so dass eine Nachgenehmigung möglich ist (§ 177 BGB). Die Gestattung der Mehrfachvertretung erteilt der Aufsichtsrat, nicht die Hauptversammlung. Dies gilt auch für die Nachgenehmigung. Str. ist, ob der Aufsichtsrat für die Gestattung selbst wiederum analog § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG einer Satzungsermächtigung bedarf oder nicht. Zulässig ist es, den Vorstand allgemein in der Satzung vom Verbot der Mehrfachvertretung zu befreien. Eine auf den Einzelfall beschränkte Gestattung dürfte aber auch ohne Satzungsgrundlage zulässig sein. Eine generelle Befreiung vom Verbot der Mehrfachvertretung muss freilich in der Satzung geregelt sein. Kein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachvertretung ist gegeben, wenn ein Gesamtvertreter nach § 78 Abs. 4 AktG zu selbstständigem Handeln für die AG durch die übrigen gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder ermächtigt wird und dieser dann die AG ggü. einem Dritten, in dessen Namen ein anderes Vorstandsmitglied der AG handelt, vertritt (str.).
Rz. 867
Im Rahmen seiner organschaftlichen Vertretungsmacht kann der Vorstand der AG Vollmachten erteilen. Nach herrschender Meinung kann ein Hauptbevollmächtigter einem Untervertreter das Selbstkontrahieren nur gestatten, wenn er selbst vo...