Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1754
Entgegen dem Wortlaut des § 192 Abs. 2 AktG ("Soll-Vorschrift") ist die bedingte Kapitalerhöhung nur zu den dort genannten Zwecken zulässig, nämlich zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten an die Gläubiger von Wandelschuldverschreibungen i.S.d. § 221 AktG, zur Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen sowie zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung. Lediglich bei Gestaltungen, die einem der im Gesetz genannten Fälle "hinreichend ähnlich" ist, ist eine Analogie anerkannt.
Beispiele
Zur Bedienung von Optionsanleihen (ausländischer) Tochtergesellschaften, zur Bedienung von Optionsrechten im Zusammenhang mit Aktienemissionen (Huckepack-Emission) oder zur Bedienung reiner Optionsrechte, die ohne jede Anleihe oder Aktie ausgegeben werden, sog. "naked warrants" (str.).
Rz. 1755
Nach Auffassung das OLG Stuttgart ist die Bedienung von "naked warrants" mit einem bedingten Kapital außerhalb des persönlichen Anwendungsbereichs des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG unzulässig. Auch § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG scheidet aus. Zulässig ist allein ein genehmigtes Kapital. Unzulässig ist die bedingte Kapitalerhöhung bspw. auch zur Ausgabe von Optionen an Aufsichtsratsmitglieder.
Rz. 1756
Aus § 192 AktG folgt, dass ein gesetzliches Bezugsrecht der Aktionäre auf Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung nicht besteht. Es besteht aber ein Bezugsrecht nach § 221 Abs. 4 AktG auf die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten. Auch hier kann allerdings das Bezugsrecht ausgeschlossen werden (§ 221 Abs. 4 Satz 2 AktG). Str. ist die Zulässigkeit des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Auch kann der Vorstand analog § 203 Abs. 2 AktG zum Ausschluss des Bezugsrechts nach § 221 Abs. 4 AktG ermächtigt werden. Für die materielle Rechtfertigung gelten die Ausführungen zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital entsprechend.
Hinweis
In der Praxis kommt die bedingte Kapitalerhöhung im Zusammenhang mit der Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen sowie bei der Ausgabe von Aktien im Rahmen von Aktienoptionen bzw. Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Betracht. I.Ü. lassen sich die anderen zulässigen Zwecke einer bedingten Kapitalerhöhung ebenso mit einem genehmigten Kapital erreichen. Dies ist regelmäßig flexibler einzusetzen als das bedingte Kapital, sodass im Einzelfall vor einer bedingten Kapitalerhöhung stets die Schaffung eines genehmigten Kapitals zu erwägen ist.
Rz. 1757
Für die bedingte Kapitalerhöhung gibt es verschiedene Höchstgrenzen:
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Zur Vorbereitung des Zusamenschlusses mehrerer Unternehmen nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG darf das bedingte Kapital höchstens 60 % des Grundkapitals betragen. |
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Sollen mit dem bedingten Kapital Umtausch- oder Bezugsrechte aufgrund von Wandelschuldverschreibungen bedient werden (§ 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG), beträgt die Höchstgrenze 20 %. |
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Dient das beingte Kapital der Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG, beträgt die Höchstgrenze 20 % (§ 192 Abs. 3 Satz 1 AktG). |
Ein Hauptversammlungsbeschluss, der diese Grenzen missachtet, ist nichtig. Maßgeblich ist das im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung bestehende und im Handelsregister eingetragene Grundkapital.
Rz. 1758
Eine Wandelschuldverschreibung im engeren Sinne (Wandelanleihe) gewährt dem Gläubiger nach § 221 AktG nur das Recht zur Wandlung seiner Anleihe in Aktien (s. dazu weiter unten Rdn 1800). Zur Erfüllung des Wandlungsrechts dient das bedingte Kapital. Der umgekehrte Fall, das Recht zur Wandlung durch die Gesellschaft, d.h. die Ersetzung der Rückzahlung durch die Ausgabe von Aktien an den Anleihegläubiger, war bisher nicht gesetzlich geregelt.
Rz. 1759
Wandelanleihen können auch mit einer Wandlungspflicht (d.h. mit einem Wandelungsrecht für die Gesellschaft, § 221 Abs. 1 Satz 1 AktG) ausgegeben werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass solche umgekehrten Wandelanleihen sinnvoll und marktgängig seien, wenn das Wandlungsrecht der Gesellschaft sehr eng gefasst ist, also etwa nur für den Fall der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit gilt. Von Bedeutung sind solche umgekehrte Wandelanleihen vor allem als Sanierungsinstrument. In der Krise ist der Aktienkurs gefallen. Der Inhaber der Wandelanleihe wird daher nicht die Wandelung in Aktien begehren, sondern die Rückzahlung des Anleihebetrages. Mit der Wandlungspflicht kann die Gesellschaft dem weiteren Abfluss von Liquidität entgegenwirken und das Risiko einer ungünstigen Kursentwicklung dem Inhaber des Wertpapiers aufbürden. Es wird damit die Möglichkeit geschaffen, auf Vorrat im Rahmen eines "Dept Equity Swaps" Fremdkapital zwangsweise in Eigenkapital umwandeln zu können.
Rz. 1760
Für das bedingte Kapital, das mit einer Wandelungspflicht unterlegt werden kann, gilt die sonst beim bedingten Kapital geltende Höchstgre...