Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 722
Als offen muss es bezeichnet werden, ob das Hin- und Herzahlen nach geltendem Aktienrecht überhaupt zulässig ist.
§ 71a AktG verbietet eine financial assistance. Hiernach ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das die Gewährung eines Vorschusses oder eines Darlehens oder die Leistung einer Sicherheit durch die Gesellschaft an einen anderen zum Zweck des Erwerbs von Aktien dieser Gesellschaft zum Gegenstand hat. Es soll damit eine Umgehung des Verbots des Erwerbs eigener Aktien vermieden werden.
Rz. 723
Nach Auffassung des Rechtsausschusses liege nicht in jedem Hin- und Herzahlen eine unzulässige Unterstützung nach § 71a AktG. So gelte diese Vorschrift nicht bei der Gründung sowie bei einer normalen Kapitalerhöhung unter Ausnutzung des Bezugsrechts. Außerdem sei schon fraglich, ob überhaupt eine Darlehensgewährung unter § 71a AktG falle, wenn der Rückgewähranspruch beim Hin- und Herzahlen nach § 27 Abs. 4 Satz 1 AktG jederzeit fällig oder sofort kündbar ist, d.h. dem Inferenten kein eigentliches Zahlungsziel gesetzt wird.
Rz. 724
M.E. ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Unterscheidung zwischen der Gründung und einer Kapitalerhöhung i.R.d. § 71a AktG ist nicht ersichtlich.
Rz. 725
Sprechen somit die besseren Gründe dafür, im Hin- und Herzahlen einen Verstoß gegen § 71a AktG zu erkennen, bleibt es dabei dass – als schwacher Trost –, diese Vorschrift nach einer Auffassung in der Lit. keine Anwendung im Unternehmensverbund findet, sodass jedenfalls die Einlagenerfüllung im Cash-Pool nach § 27 Abs. 4 AktG im Hinblick auf § 71a AktG keinen Bedenken ausgesetzt sei.
Rz. 726
Letztlich hilft diese Argumentation auch im Unternehmensverbund nicht weiter. Liegen die Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 AktG vor, kommt es zu einer echten Erfüllung der Einlageverpflichtung und nicht wie bei der verdeckten Sacheinlage zu einer Anrechnung. Es liegt eine Bareinlage vor. Die Bareinlageforderung wird durch eine schuldrechtliche Forderung ersetzt. Nach Art. 9 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie müssen aber im Zeitpunkt der Gründung oder Kapitalerhöhung i.H.v. mindestens 25 % ihres rechnerischen Werts geleistet werden (§ 36a AktG). Eine solche effektive Leistung dieses Mindesteinlagebetrages liegt nicht vor, wenn beim Hin- und Herzahlen anstelle der Bareinlage lediglich eine schuldrechtliche Forderung gegen den Inferenten tritt. § 27 Abs. 4 AktG ist daher mit der Kapitalrichtlinie nicht zu vereinbaren. Will man § 27 Abs. 4 AktG europarechtlich halten, muss man diese Vorschrift dahingehend auslegen, dass auch beim ordnungsgemäßen Hin- und Herzahlen mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages nicht an den Inferenten zurückfließen darf. Ein vollständiger Rückfluss des Agio ist dagegen i.R.d. § 27 Abs. 4 AktG europarechtlich zulässig. Art. 9 der Kapitalrichtlinie erwähnt das Agio nicht. Was bleibt, ist in diesem Fall weiterhin ein Verstoß gegen § 36a AktG.