Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 328
Die Gesellschafter unterliegen einer allgemeinen Treuepflicht, die es ihnen gebietet, sich gegenüber der Gesellschaft loyal zu verhalten, sie nicht zu schädigen und den Gesellschaftszweck zu fördern. Auch im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern besteht eine wechselseitige Treuepflicht zur Rücksichtnahme auf ihre unterschiedlichen Interessen.
Eigennützige Rechte, z.B. die einem Gesellschafter zustehenden Informationsrechte und Sonderrechte, dürfen mit Vorrang verfolgt werden, allerdings unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter insoweit, dass sie die Rechtsausübung nicht im Übermaß belastet.
Rz. 329
Bei der Ausübung des Stimmrechts muss der Gesellschafter die Treuepflicht beachten, die umso intensiver wird, je mehr der Beschluss den Gesellschaftszweck tangiert. Die Auswirkungen der Treuepflicht sind je nach Beschlussgegenstand verschieden. Die Treuepflicht kann sich auch zu einer Pflicht zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten konkretisieren. Gem. dem sog. "Media-Saturn"-Urteil des BGH muss der Gesellschafter aufgrund der Treuepflicht einer Maßnahme zustimmen, wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert. So ist es denkbar, dass ein Gesellschafter aus seiner Treuepflicht heraus verpflichtet ist, einer Kapitalerhöhung zuzustimmen. Andererseits ist auch die Mehrheit der Gesellschafter bei einem Mehrheitsbeschluss zur angemessenen Berücksichtigung der Interessen von Minderheitsgesellschaftern verpflichtet, insb. wenn Mitgliedschaftsrechte der Minderheit betroffen werden oder Sondervorteile für die Gesellschaftermehrheit beschlossen werden sollen.
Der BGH bejaht eine auf der Treuepflicht basierende Pflicht der Gesellschafter, Maßnahmen zur Auflösung stiller Reserven einzuleiten (z.B. Teilliquidation des Geschäftsbetriebes), wenn nur so der Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG erfüllt werden kann. Verstöße gegen die Treuepflicht können zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses führen oder dazu, dass treuwidrig abgegebene Stimmen nicht mitgezählt werden. Eine Treupflichtverletzung kann auch zum Ausschluss aus der Gesellschaft führen und zu einer Pflicht, den entstandenen Schaden zu ersetzen.