Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
aa) Person des Versammlungsleiters
Rz. 1169
Das AktG geht von einem Vorsitzenden in der Hauptversammlung (= Versammlungsleiter) aus. Besonderheiten bestehen bei der Einmann-AG (s.u. Rdn 1352). Üblich ist es, in der Satzung den Vorsitzenden des Aufsichtsrates zum Versammlungsleiter zu bestimmen. Ebenso kann die Satzung eine Regelung enthalten, wer stellvertretender Versammlungsleiter ist, wenn die eigentlich dazu berufene Person ausfällt (i.d.R. der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende). Die Gesellschaft ist in der Bestimmung ihres Versammlungsleiters frei. Deutsche Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich; Kommunikation durch einen Simultandolmetscher genügt. Versammlungsleiter können jedoch nicht Mitglieder des Vorstands der Gesellschaft sowie der beurkundende Notar sein.
Rz. 1170
Vom Stellvertreter des Versammlungsleiters zu unterscheiden ist der sog. "Interimsleiter". Will der eigentliche Versammlungsleiter die Hauptversammlung kurzzeitig verlassen, etwa um die Toilette aufzusuchen oder sich mit dem Back-Office zu beraten, bzw. bei einem Diskussionspunkt, der ihn selbst betrifft und bei dem er sich (vorsorglich) für befangen hält, muss er die Hauptversammlung nicht insgesamt unterbrechen. Vielmehr kann er die Versammlungsleitung an ein anderes Aufsichtsratsmitglied als "Interimsleiter" abgeben. Eine Regelung in der Satzung ist dafür nicht erforderlich. Auch sonst ist diese Praxis nicht zu beanstanden, v.a., wenn der Interimsleiter nur die Anweisungen des eigentlichen Versammlungsleiters fortsetzt, z.B. den nächsten Redner nach der Rednerliste des Versammlungsleiters aufruft oder den Vorstand Fragen beantworten lässt. Dabei sollte der Interimsleiter keine eigenen Leitungsentscheidungen treffen, sondern nur "Hilfsfunktionen für den Versammlungsleiter wahrnehmen oder dessen Bote oder Sprachrohr sein".
bb) Wahl des Versammlungsleiters
Rz. 1171
Fehlt in der Satzung eine Regelung über den Versammlungsleiter oder ist die berufene Person nicht anwesend, muss die Hauptversammlung den Versammlungsleiter wählen. Der Wahlbeschluss bedarf der einfachen Stimmenmehrheit. Die Hauptversammlung kann den Versammlungsleiter (ausnahmsweise) auch dann wählen, wenn die nach der Geschäftsordnung oder Satzung hierzu berufene Person ihr Amt nicht antritt.
Rz. 1172
Zu diesem Zweck hat derjenige, der die Hauptversammlung einberufen hat, i.d.R. der Vorstand, die Aufgabe, als provisorischer Sitzungsleiter die Wahlleitung zu übernehmen und für die Abstimmung das Teilnehmerverzeichnis zu erstellen. Dem provisorischen Versammlungsleiter stehen bis zur Beschlussfassung auch sämtliche Ordnungsbefugnisse zu. Einer besonderen Ankündigung in der Einberufung bedarf es hierzu nicht. Nach a.A. ist provisorischer Versammlungsleiter immer der älteste anwesende Aktionär. Die Übernahme der provisorischen Versammlungsleitung durch den Notar ist jedoch stets unzulässig und führt nach einer Ansicht zur Anfechtbarkeit, nach a.A. zur Nichtigkeit. Nach Ansicht des KG ist dieser Rechtsverstoß jedoch unschädlich.
cc) Gerichtliche Bestellung
Rz. 1173
Ausnahmsweise kann Versammlungsleiters durch das Gericht bestellt werden, wenn der Vorstand einem Minderheitsverlangen nach § 122 AktG nicht nachkommt. In diesem Fall kann das Gericht zugleich mit der Ermächtigung zur Einberufung der Hauptversammlung bzw. Ergänzung der Tagesordnung nach § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG (von Amts wegen oder auf Antrag, der als Anregung aufzufassen ist) einen Versammlungsleiter bestimmen. Eine gerichtliche Bestellung ist aber nur zulässig, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass eine unparteiische Versammlungsleitung durch den satzungsmäßigen Versammlungsleiter nicht gewährleistet ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Vorstand nur unter dem Druck der sonst erfolgenden gerichtlichen Ermächtigung oder nach Stellung des...