Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1176
Die Hauptversammlung kann den Versammlungsleiter grds. wieder abberufen. Eine Abberufung des gerichtlich bestellten Versammlungsleiters ist unzulässig. Zu unterscheiden ist dabei, wie der Versammlungsleiter sein Amt übernommen hat.
Wurde er durch die Hauptversammlung gewählt, kann diese ihn jederzeit wieder abberufen. Ein wichtiger Grund muss nicht vorliegen. Eine einfache Mehrheit genügt.
Rz. 1177
Ist der Versammlungsleiter qua Satzung berufen, ist nach einer Ansicht eine Abberufung wegen der entgegenstehenden Satzungsregel überhaupt nicht zulässig. Nach a.A. ist eine Abberufung zulässig, wenn alle (anwesenden) Aktionäre dies einstimmig beschließen. Nach herrschender Meinung ist eine Abberufung zulässig; allerdings muss dafür ein wichtiger Grund vorliegen, der in substantiierter Weise vorgetragen werden muss.
Wichtiger Grund sind z.B. grobe Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der konkreten Versammlungsleitung (unzulässige Ordnungsmaßnahmen). Ungeeignet ist der Vorwurf eines Fehlverhaltens als Leiter einer anderen Hauptversammlung. Allgemeine Vorwürfe "ins Blaue" oder bloße Verdächtigungen genügen nicht.
Für den Beschluss genügt nach h.M. einfache Mehrheit. Nach a.A. ist wegen der Satzungsdurchbrechung eine satzungsändernde Mehrheit notwendig.
Rz. 1178
Setzt sich umgekehrt der Versammlungsleiter über einen begründeten Antrag über seine Abberufung ohne Abstimmung hinweg, sind die daraufhin gefassten Sachbeschlüsse anfechtbar, nicht aber nichtig.
Rz. 1179
Wird ein Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters materiell-rechtlich zu Unrecht zur Abstimmung gestellt, etwa weil ein wichtiger Grund nicht gegeben ist, und wird darauf hin der Versammlungsleiter ausgewechselt, führt dies zu unabsehbaren Folgen: Die Beschlüsse der Hauptversammlung sind entweder nichtig, weil es an der für das Zustandekommen des Beschlusses erforderlichen Feststellung durch den richtigen Versammlungsleiter fehlt, oder "nur" anfechtbar (sofern noch ein Fehler bei der Versammlungsleitung hinzukommt). Nach wiederum a.A. gilt § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG analog, wonach die Wirkung der Abberufung mit der Verkündung des Abberufungsbeschlusses eintritt, ohne dass es auf das wirkliche Vorliegen eines Abberufungsgrunds ankommt. Schließlich wird vertreten, es gelten die Regeln für das faktische Organ, sodass die Versammlungsleitung wirksam sei. Lehnt man diese Ansicht ab, weil man damit auf das Erfordernis eines wichtigen Grunds für die Abberufung des Versammlungsleiters, spricht viel dafür, eine Abberufung des satzungsmäßigen Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung überhaupt nicht zuzulassen.
Rz. 1180
Da der Antrag auf Abberufung des Versammlungsleiters die Verhandlungsleitung vom Zeitpunkt seines Erfolgs an verändern würde, ist er nach einer Ansicht unverzüglich nach Antragstellung zur Abstimmung zu stellen. M.E. ist zu differenzieren: Vorab ist zu prüfen, ob nach den vorstehenden Überlegungen überhaupt eine Abstimmung über den Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters erfolgen muss. Im Interesse des Minderheitenschutzes ist der Versammlungsleiter nur im Fall eines offenbaren Missbrauchs berechtigt, von sich aus einen Antrag auf Abberufung des Versammlungsleiters nicht zur Abstimmung zu stellen und ohne Aussprache zurückzuweisen.
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Ein Antrag auf Abberufung des von der Hauptversammlung gewählten Versammlungsleiters ist jederzeit zulässig und zur Abstimmung zu stellen. |
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Wird Antrag auf Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters gestellt und wird hierfür kein schlüssiger wichtiger Grund dargelegt, ist der Antrag nicht zur Abstimmung zu stellen. |
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Wird Antrag auf Abwahl unter schlüssiger Darlegung eines wichtigen Grundes, der objektiv gegeben ist, gestellt, muss der Antrag zur Abstimmung gestellt werden. Erreicht dieser Antrag die erforderliche Mehrheit, ist die Versammlung nach Verkündung des Beschlussergebnisses durch die von der Satzung im Verhinderungsfall des eigentlichen Versammlungsleiters berufene Person zu leiten. Andernfalls beschließt die Hauptversammlung über die Person des neuen Versammlungsleiters. Die Hauptversammlung kann dabei auch einen Bestätigungsbeschluss fassen, dass der bisherige Versammlungsleiter die Versammlung weiterleitet. |
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Wird der Antrag auf Abwahl mit einem schlüssig dargelegten wichtigen Grund begründet, ist aber der wichtige Grund tatsächlich nicht gegeben, muss nach einer Ansicht auch in diesem Fall der Abwahlantrag zur Abstimmung gestellt werden. Wird der Versammlungsleiter bestätigt, kann er weiter sein Amt ausüben. Wird er abgewählt, soll er – so die Lit. – "vorsorglich" von sich aus sein Amt niederlegen. Stellt sich heraus, dass kein wichtiger Grund gegeben ist, steht jedenfalls fest, dass der Verhinderungsfall eingetreten ist. |