Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1218
Berechtigt, an der Hauptversammlung teilzunehmen, sind alle Aktionäre, insb. also auch Aktionäre mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien (§ 118 Abs. 1 AktG). Für das Teilnahmerecht kommt es nicht darauf an, ob die Aktien bereits voll einbezahlt sind oder der Aktionär von einem Stimmverbot nach § 136 AktG betroffen ist. Lediglich dann, wenn Rechte aus Aktien überhaupt nicht bestehen (z.B. §§ 20 Abs. 7, 71b oder 328 Abs. 1 Satz 1 AktG), besteht kein Teilnahmerecht. Teilnahmeberechtigt ist der Aktionär auch, wenn seine Aktien verpfändet sind. Str. ist die Rechtslage beim Nießbrauch, Nach § 123 Abs. 2 und Abs. 3 AktG kann die Satzung das Teilnahmerecht der Aktionäre an eine vorherige Anmeldung bzw. an einen besonderen Nachweis der Aktionärseigenschaft knüpfen (s.o. Rdn 1152 ff.). Auf den Zeitpunkt des Aktienerwerbs kommt es nicht an, soweit die Fristen des § 123 AktG gewahrt werden. Bei Namensaktien ist ggf. ein von der Gesellschaft vorgesehener Umschreibestopp im Aktienregister im Vorfeld der Hauptversammlung zu beachten. Stellvertretung ist nach § 134 Abs. 3 AktG zulässig (s.o. Rdn 1160 ff.). Kein Teilnahmerecht besteht für Inhaber eines ADR (American Depositars Receipt) bzw. für die Inhaber von Schuldverschreibungen (Gewinnschuldverschreibungen, Wandelschuldverschreibungen) oder Genussrechten.
Rz. 1219
Inhaltlich umfasst das Teilnahmerecht nicht nur die Möglichkeit zur physischen Teilnahme an der Hauptversammlung, sondern auch das Rede-, Auskunfts- und Antragsrecht. Physische Teilnahme bedeutet entweder die persönliche Anwesenheit im Versammlungsraum. Ist der eigentliche Versammlungsraum, in dem der Versammlungsleiter, der Vorstand und der Notar anwesend sind und wo auch Wortbeiträge der Aktionäre abgehalten werden, nicht ausreichend groß und wird der Versammlungsraum auf weitere Räume ausgedehnt, müssen die Aktionäre in diesen Räumen zumindest akustisch mittels Lautsprecher den Verlauf der Hauptversammlung verfolgen können. Andernfalls droht eine Anfechtung. Eine Beschallung des Präsenzbereichs, insbesondere der Sanitärräume und des Foyers vor dem eigentlichen Versammlungsraum, muss zur Vermeidung einer Anfechtbarkeit nach Ansicht des BGH nicht erfolgen. Ebenso liegt ein Anfechtungsgrund nicht vor, wenn z.B. die Lautsprecherübertragung zu leise war und die Gesellschaft den Mangel sofort behoben hat.
Rz. 1220
Teilnahmeberechtigt und -verpflichtet sind nach § 118 Abs. 2 Satz 1 AktG auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates. Die Satzung kann anstelle der Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder in bestimmten Fällen eine Bild- und Tonübertragung zulassen (§ 118 Abs. 2 Satz 2 AktG). I.R.d. § 176 Abs. 2 AktG besteht ein Teilnahmerecht auch für den Abschlussprüfer (nur für den Tagesordnungspunkt: "Feststellung des Jahresabschlusses") sowie im Fall der notariellen Beurkundung der Hauptversammlung nach § 130 Abs. 1 AktG für den Notar.
Rz. 1221
Andere Personen, insb. Medienvertreter, haben kein originäres Teilnahmerecht. Die Hauptversammlung ist keine öffentliche Veranstaltung. Über die Teilnahme von Medienvertretern bzw. sonstigen Gästen entscheidet der Versammlungsleiter. Die Hauptversammlung kann nach h.M. die Entscheidung für bzw. gegen die Zulassung eines Gastes durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen. Der Versammlungsleiter muss nach h.M. die Hauptversammlung über die Zulassung von Gästen abstimmen lassen, wenn ein teilnehmender Aktionär der Zulassung bzw. Nichtzulassung von Gästen widerspricht.
Rz. 1222
Sind Sonderbeschlüsse zu fassen und deshalb eine gesonderte Versammlung dieser Aktionäre durchzuführen, gelten die für die "normale" Hauptversammlung Regeln entsprechend (§ 138 Satz 2 AktG). Teilnahmeberechtigt sind neben den Verwaltungsmitgliedern nach § 118 Abs. 2 AktG aber nur die in dieser gesonderten Versammlung stimmberechtigten Aktionäre, nicht auch die anderen.
Rz. 1223
Die Gesellschaft darf sich von der Identität der in der Hauptversammlung erschienenen Person überzeugen und z.B. die Vorlage eines Ausweisdokuments oder anderen Identitätsnachweises verlangen. Sie darf Vollmachten überprüfen. Das darf aber nicht dazu führen, dass an die Form der Vollmacht über § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG (Textform) hinausgehende Anforderungen gestellt werden.