Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 79
Bei ordnungsgemäßer Durchführung einer offenen Sachgründung besteht kein Anlass zur Unterstellung einer verdeckten Sacheinlage, sodass die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage hier prinzipiell keine Anwendung finden können. § 19 Abs. 4 GmbHG definiert die verdeckte Sacheinlage als Geldeinlage eines Gesellschafters, die bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist. Soweit der vollständige Sacheinlagegegenstand offen eingebracht wird, fehlt es hier schon an dem Tatbestandsmerkmal der "Geldeinlage". Kritisch zu betrachten sind hier allerdings die Fälle, in denen die Sacheinlage zwar ordnungsgemäß offengelegt wird, der bezeichnete Sacheinlagegegenstand aber später gem. vorheriger Absprache ausgetauscht oder unmittelbar vor der Einlage künstlich geschaffen wird. Es handelt sich hierbei um sog. verschleierte offene Sacheinlagen, welche wiederum die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze der verdeckten Sacheinlage aufwerfen. Mangels Vorliegen oder Vortäuschen einer Bareinlage ist auch hier § 19 Abs. 4 GmbHG nicht anwendbar. Der für die Gläubiger nicht erkennbare und somit auch einer präventiven Werthaltigkeitskontrolle nicht zugängliche, verschleiert eingebrachte Sacheinlagegegenstand lässt vielmehr die Leistung des vermeintlich offen eingebrachten Sacheinlagegegenstandes zur endgültigen freien Verfügung der Gesellschaft bezweifeln.
Die erste Fallgruppe des Austauschs des Sacheinlagegegenstandes wird von der h.M. als eine Art Einlagenrückgewähr angesehen, die als "Hin- und Herleisten" von Sacheinlagen eine analoge Anwendung von § 19 Abs. 5 GmbHG begründet. Eine derart weite Auslegung der Norm kann allerdings weder dem Wortlaut "Rückzahlung" noch ihrer Regelungssystematik oder Entstehungsgeschichte entnommen werden. Da es hier aber wie zuvor erörtert an einer Leistung zur freien Verfügung der Gesellschaft fehlt, kommt jedenfalls dann, wenn der durch den Tausch erlangte Sacheinlagegegenstand in seinem Wert niedriger ist als der ursprünglich vereinbarte Sacheinlagegegenstand die Anwendung des Kapitalerhaltungsrechts nach §§ 30, 31 GmbHG in Betracht. Die zweite Fallgruppe der Tarnung des wahren Sacheinlagegegenstandes liegt etwa dann vor, wenn der Inferent vor einer anstehenden Kapitalerhöhung absprachegemäß zunächst sein Unternehmen an die GmbH veräußert, um die entstandene Kaufpreisforderung dann unmittelbar als offene Sacheinlage in die Gesellschaft einzubringen. Wirtschaftlich betrachtet wird also nicht nur eine Forderung, sondern ein ganzes Unternehmen eingebracht. Jedenfalls dann, wenn das erworbene Unternehmen nicht den Wert der Forderung deckt, besteht hier auch bei Vollwertigkeit der eingebrachten Forderung ein erhebliches Gläubigerschädigungspotenzial. Neben einer Überprüfung anhand der Kapitalerhaltungsregeln der §§ 30, 31 GmbHG kann hier auch eine Differenzhaftung des Inferenten analog § 9 GmbHG in Frage kommen. Da die Einlagenschuld nicht durch Offenlegung und Einbringung des wahren Sacheinlagegegenstands, sondern durch Verrechnung mit der gegen die Gesellschaft gerichteten Kaufpreisforderung getilgt wird, kann hier strukturell von einer verdeckten bzw. unechten Sachübernahme ausgegangen werden, welche wirtschaftlich betrachtet einer Sachgründung entspricht und demgemäß den strengeren Anforderungen im Hinblick auf die Werthaltigkeitsprüfung unterliegt.