Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1040
Das Rederecht der Aktionäre in der Hauptversammlung ist Ausfluss des Teilnahmerechts. Das Rederecht ist nicht abhängig vom Umfang des Aktienbesitzes; auch auf das Stimmrecht kommt es nicht an. Die Redebeiträge müssen sich auf Angelegenheiten der Gesellschaft und nach überwiegender Ansicht analog § 131 AktG auch auf Gegenstände der Tagesordnung beziehen. Für das Rederecht ist die Hauptversammlungssprache zu beachten. Bei Wortbeiträgen in ausländischer Sprache ist (durch den Aktionär) für eine ausreichende Übersetzung zu sorgen.
Rz. 1041
Nach § 131 AktG hat jeder einzelne Aktionär das Recht, in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung der Gegenstände der Tagesordnung erforderlich ist. Aus § 131 Abs. 4 AktG folgt, dass das Auskunftsrecht grds. "nur" in der Hauptversammlung besteht. Außerhalb der Versammlung von der Gesellschaft erteilte Informationen sind auf Verlangen (erneut) in der Hauptversammlung zu geben (§ 131 Abs. 4 AktG).
Rz. 1042
Zu den auskunftspflichtigen Angelegenheiten der Gesellschaft gehören alle Fakten, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft betreffen, die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der Gesellschaftsorgane, sowie alle Tatsachen zur Geschäftspolitik und zur Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Erfasst werden Personalangelegenheiten, Beziehungen zu Kunden und Lieferanten und zu verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 AktG). Keine Angelegenheiten der Gesellschaft sind Interna des Aufsichtsrates und seiner Mitglieder, insb. die Gegenstände der Aufsichtsratssitzungen und die Beschlussfassung im Aufsichtsrat. Die begehrte Auskunft muss weiter einen Bezug zur Tagesordnung haben. Im Hinblick auf den Tagesordnungspunkt "Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats" beschränkt sich das Auskunftsrecht regelmäßig auf das abgelaufene sowie auf das laufende Geschäftsjahr (wegen des Lageberichts nach § 289 HGB). Weitere zurückliegende Vorgänge werden erfasst, soweit sie Auswirkungen auf das abgelaufene Geschäftsjahr haben oder sonst im Zusammenhang mit der Tagesordnung stehen. Durch § 120 Abs. 3 AktG, wonach die Verhandlung über die Entlastung mit der Verhandlung über den Bilanzgewinn etc. verbunden werden soll, wird der Rahmen aufgezeigt, in dem die Aktionäre mit der Entscheidung über die Entlastung eine Gesamtwürdigung vornehmen sollen. Welche Auskünfte dabei zur sachgemäßen Beurteilung der Gegenstände der Tagesordnung erforderlich sind, beurteilt sich nach objektiven Maßstäben. Abgestellt wird dabei auf den "objektiv denkenden Durchschnittsaktionär", der die Gesellschaftsinterna nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und deshalb die Auskunft zur Beurteilung der Tagesordnung benötigt. Diese durch § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordnete Beschränkung des Auskunftsrechts unter dem Aspekt der Erforderlichkeit ist europarechtlich mit der Aktionärsrichtlinie vereinbar.
Rz. 1043
Eine quantitative Beschränkung des Fragerechts besteht grds. nicht, doch wird es häufig schon daran fehlen, dass die Beantwortung aller Fragen objektiv zur Beurteilung des Tagesordnungspunkts erforderlich ist.
Rz. 1044
Eine weitere Beschränkung des Auskunftsrechts besteht im Fall des Rechtsmissbrauchs als Treuepflichtverletzung des Aktionärs. Eigene, egoistische und möglicherweise gesellschaftsfremde Interessen genügen dafür aber noch nicht. Das Auskunftsbegehren muss "grob eigennützig und illoyal bzw. widersprüchlich" sein. Dies ist der Fall, wenn das Auskunftsbegehren auf eine Diskriminierung der Gesellschaft oder ihrer Organe hinausläuft oder bei einem widersprüchlichem Verhalten des fragenden Aktionärs (s. zum widersprüchlichen Verhalten Rdn 1049). Missbräuchlich ist eine übermäßige Rechtsausübung, wenn Aktionäre Fragenkataloge von mehreren DIN A4-Seiten vorlegen und eine Eingrenzung durch das Merkmal der Erforderlichkeit und durch eine Beschränkung der Fragezeit nicht ausreicht, um zu gewährleisten, dass der Zweck des Auskunftsrechts, innerhalb einer begrenzten Zeit ausreichende Informationen über den Tagesordnungspunkt zu erlangen, nicht eklatant verfehlt wird.
Rz. 1045
Der Auskunftsanspruch des § 131 AktG besteht nur "auf Verlangen". Von sich aus ist der Vorstand nicht verpflichtet, die Aktionäre über Umstände zu informieren, von denen er annehmen darf, dass sie auf die Stimmrechtsausübung durch die Aktionäre von Bedeutung sind. Das Auskunftsverlangen ist "in der Hauptversammlung" zu stellen und an den Vorstand bzw. Versammlungsleiter zu richten; schriftlich gestellte Fragen sind (für die anderen Versammlungsteilnehmer) mündlich zu wiederholen. Das Auskunftsverlangen braucht nicht begründet zu werden. Auch eine Ankündigung im Vorfeld ist nicht erforderlich, es sei denn, die begehrten Auskünfte sind derart detailliert, dass eine Beantwortung in der Hauptversammlung durch einen...