Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1590
Wird gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Kapitalmaßnahme oder einen Unternehmensvertrag Klage erhoben (Anfechtungs-/Nichtigkeits-/Feststellungsklage) und besteht eine Registersperre nach § 381 FamFG, kann die Gesellschaft durch mittels Freigabeverfahren nach § 246a AktG die sofortige Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses im Handelsregister erreichen, ohne den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten. Die Gesellschaft kann hierzu beim örtlich zuständigen OLG (§ 246a Abs. 1 Satz 3 AktG) einen Antrag einreichen, wonach die erhobene Klage der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses nicht entgegensteht und die Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. Es handelt sich um ein Eilverfahren (§ 246a Abs. 3 Satz 5 AktG), für das die ZPO gilt. Das Freigabeverfahren unterscheidet sich von den Freigabeverfahren der § 319 AktG, § 16 Abs. 3 UmwG dadurch, dass hier für die im Handelsregister einzutragenden und mit der Klage angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse keine Registersperre besteht. Das Registergericht ist also frei, trotz anhängiger Klage die Beschlüsse einzutragen oder ihre Eintragung nach § 381 FamFG auszusetzen. § 246a Abs. 3 Satz 5 Halbs. 1 AktG ordnet daher die Bindungswirkung der rechtskräftigen Freigabeentscheidung des OLG ggü. dem Registergericht an. Auch wirkt diese Freigabeentscheidung nach § 246a Abs. 3 Satz 5 Halbs. 2 AktG ggü. jedermann. Eine Amtslöschung nach § 398 FamFG darf nicht mehr erfolgen. Erfolgt eine Registereintragung aufgrund Freigabeentscheidung, erweist sich aber die Klage als begründet, kann nach § 246a Abs. 4 AktG nur noch Schadensersatz verlangt werden, nicht aber Beseitigung der Wirkung der Eintragung. Diese Bindungswirkung des Registergerichts ist jedoch auf den Prüfungsumfang des OLG beschränkt. Aus anderen Gründen kann das Registergericht daher die Eintragung ablehnen.
Rz. 1591
Ein Freigabebeschluss ergeht nach § 246a Abs. 3 Nr. 1 AktG, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Ob die Klage offensichtlich unbegründet ist, richtet sich nicht nach dem hiermit für das Gericht verbundenen Prüfungsaufwand, sondern nach dem Maß an Sicherheit, mit der sich die Unbegründetheit der Klage prognostizieren lässt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die streitigen Rechtsfragen aus der Sicht des Gerichts eindeutig i.S.e. Unbegründetheit der Anfechtungsklage zu beantworten sind, ohne dass es darauf ankommt, ob auch andere Standpunkte dazu vertreten werden.
Rz. 1592
Nach § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG ergeht ein Freigabebeschluss, wenn "der Kläger nicht binnen einer Woche nach Zustellung der Urkunden nachgewiesen hat, dass er seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens 1.000 EUR hält." Der Kläger hat damit unaufgefordert einen Nachweis einzureichen. Der Nachweis ist durch Vorlage einer Bank- oder Depotbescheinigung im Original zu führen. Die Vorlage von Kopien genügt nicht. Ausreichend ist die Vorlage der Aktienurkunden oder bei Namensaktien ein Auszug aus dem Aktienregister, jeweils ergänzt um den Nachweis des Erwerbszeitpunkts. Dieser Nachweis ist auch dann zu erbringen, wenn die Erreichung des Quorums ist unstreitig ist. Andere Obergerichte halten dies für überflüssig. Der Nachweis allein zu einem bestimmten Stichtag genügt nicht. Der Nachweis bezieht sich zum einen auf den Zeitpunkt der Einberufung. Str. ist der zweite Zeitpunkt des § 246 Abs. 2 Ziff. 2 AktG. Nach einer Ansicht sei auf den Zeitpunkt der Zustellung des Freigabeantrags abzustellen; nach a.A. sei der Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Klageeinreichung maßgebend. Richtig erscheint ihm Hinblick auf den Wortlaut des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG, Besitz an den Aktien bis zum Zeitpunkt des Nachweises nach Zustellung des Freigabeantrags zu verlangen. Ein Halten der Aktien bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Freigabeentscheidung ist nicht erforderlich. Soweit dieses Bagatellquorum zu beiden Zeitpunkten nicht erreicht wird, ist eine Anfechtungsklage im Hauptsacheverfahren nicht ausgeschlossen. Der Anfechtungskläger kann aber die Freigabe nicht verhindern und ist gem. § 246a Abs. 4 AktG auf einen Schadensersatzanspruch verwiesen.
Rz. 1593
Von wesentlicher Bedeutung ist die Interessenabwägungsklausel (§ 246a Abs. 2, 3. Alt. AktG). Nach § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG ergeht nunmehr ein Freigabebeschluss – bereits, wenn "das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die vom Antragssteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für den Antragsgegner überwiegen, es sei denn, es liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes vor."
Rz. 1594
Die Prüfung erfolgt in zwei Stufen: In der ersten Stufe ist nur das wirtschaftliche Interesse des klagenden Aktionärs, nicht das der Aktionärsgesamtheit, gegen die Unternehmens...