Leitsatz (amtlich)
Ein Freigabeverfahren nach § 246a AktG ist auch dann zulässig, wenn die Gesellschaft selbst vor Ablauf der Anfechtungsfrist für Klagen gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung die Eintragung des Vertrages im Handelsregister beantragt hat und diese Eintragung vorgenommen worden ist.
Normenkette
AktG § 246a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die (sofortige) Beschwerde der Antragstellerin vom 1.8.2007 wird der auf die Verhandlung vom 4.7.2007 ergangene Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des LG Hannover - mit Ausnahme der die Antragsgegner zu 5. und 8. betreffenden Kostenentscheidung - aufgehoben. Die nunmehr erforderliche Sachentscheidung wird dem LG Hannover übertragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert für die Beschwerdeinstanz: 180.000 EUR.
Tatbestand
Die Antragstellerin hat mit ihrer Hauptaktionärin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Dem Vertrag hat die Hauptversammlung der Antragstellerin nach einer kontroversen Diskussion zugestimmt. Auf Anmeldung durch den Vorstand wurde der Vertrag im Handelsregister gut drei Wochen nach der Hauptversammlung im Handelsregister eingetragen. Verschiedene Aktionäre haben gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung Anfechtungsklage erhoben.
Die Antragstellerin begeht die Feststellung, dass die wegen etwaiger Mängel des Beschlusses der Hauptversammlung erhobenen Klagen die Wirkungen der Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister unberührt lassen (§ 246a Abs. 1, Alt. 2 AktG). Das LG hat den Antrag zurückgewiesen, weil ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin für ihn nicht festgestellt werden könne. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Entscheidungsgründe
Die nach § 246a Abs. 3 S. 3 AktG statthafte und fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
Der Freigabeantrag vom 7.5.2007 ist nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehlte, nachdem sie selbst vor Ablauf der Anfechtungsfrist für Klagen gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung die Eintragung des Vertrages im Handelsregister beantragt hat und diese Eintragung vorgenommen worden ist. (1.). Die Entscheidung des LG war deshalb aufzuheben (2.).
1. Die Beschwerde ist insoweit begründet, als sich die Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses wendet; Freigabeanträge nach § 246a AktG sind auch nach der Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses nach § 293 Abs. 1 AktG im Handelsregister zulässig.
Entgegen der Auffassung des LG lässt sich dem Wortlaut des § 246a AktG nicht entnehmen, der Freigabeantrag setze voraus, dass der Beschluss der Hauptversammlung noch nicht eingetragen sei. Die Gesetzesmaterialien sprechen für die Zulässigkeit von Anträgen noch nach der Eintragung; nach der Regierungsbegründung soll es "nicht ausgeschlossen" sein, die Freigabeentscheidung auch dann noch zu beantragen, wenn der Hauptversammlungsbeschluss bereits eingetragen ist (RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 v. 14.3.2005, S. 27r. Sp.). Diese Möglichkeit liegt auch nach dem Text des § 246a Abs. 1 AktG nahe, weil die (weitere) Rechtsfolge der Entscheidung, dass "Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen", unabhängig davon eintreten kann, ob der Antrag der Gesellschaft der Eintragung vorausgeht oder nachfolgt. Auch nach einer Eintragung besteht jedenfalls das Interesse der Gesellschaft, gerade diese Wirkung herbeizuführen und z.B. eine Rückabwicklung von Strukturmaßnahmen - etwa nach Löschung der Eintragung gem. § 144 Abs. 2 FGG - zu verhindern, auch wenn die im Hauptsacheverfahren erhobene Klage Erfolg hätte. Der mit dem Freigabebeschluss - über die Aufhebung einer (faktischen) Registersperre hinaus - im Sinne der genannten weiteren Rechtsfolge verbundene Bestandsschutz wird durch die bloße Eintragung gerade noch nicht erreicht (Ihrig/Erwin, BB 2005, 1973, 1974 f.; Veil, AG 2005, 567, 573; Kort, BB 2005, 1577, 1581).
Deshalb ließe sich der Freigabeantrag nur dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig halten, wenn der Regelung zu entnehmen wäre, dass Eintragungsantrag und Freigabeantrag als sich jeweils ausschließende Handlungsmöglichkeiten zu qualifizieren sind. Dagegen spricht allerdings schon, dass dann gleichsam "durch die Hintertür" eine Registersperre eingeführt würde, die bei der Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen über Unternehmensverträge gerade nicht vorgesehen ist, weil (anders als etwa nach § 319 Abs. 5 AktG) eine sog. Negativerklärung nicht verlangt wird. Ein solches Verständnis setzte auch voraus, dass die Gesellschaft, die - gerade im Hinblick auf die Bestandskraft - ein Interesse an einem Freigabeverfahren hat, zunächst wartet, ob eine Klage gegen den Beschluss erhoben wird. Das mag für die bei Anfechtungsklagen geltende Monatsfrist noch hingenommen werden, führte indes zu eine...