Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1796
Neben Kapitalerhöhungen bestehen noch andere Formen der Kapitalbeschaffung.
Rz. 1797
Die AG kann zunächst Fremdkapital generieren. Aktienrechtliche Besonderheiten bestehen nicht. Soweit Darlehensgeber allerdings ein Aktionär oder ein diesem nahestehender Dritter ist, bestehen besondere Risiken im Fall der Insolvenz der Gesellschaft: Ein Aktionärsdarlehen ist als Gesellschafterdarlehen nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Eine Ausnahme besteht lediglich im Fall des sog. Sanierungsprivilegs nach § 39 Abs. 4 InsO bzw. im Fall des Kleinbeteiligungsprivilegs nach § 39 Abs. 5 InsO, wenn der Aktionär mit 10 % oder weniger am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt ist. Unabhängig von diesen Ausnahmen droht in jedem Fall eine Insolvenzverwalteranfechtung nach § 135 InsO bei Rückzahlung des Aktionärsdarlehens binnen Jahresfrist vor Insolvenzeröffnung. Wird das Aktionärsdarlehen gesichert, beträgt die Anfechtungsfrist 10 Jahre. Problematisch ist dies v.a. im Cash-Pool (s.o. Rdn 1025 ff.).
Rz. 1798
Werden Aktien veräußert und hat der veräußernde der Gesellschaft solche Gesellschafterdarlehen gewährt, empfiehlt es sich zur Haftungsvermeidung daher, zusammen mit den Aktien zumindest auch die Gesellschafterdarlehen an den Erwerber zu veräußern. Str. ist, ob dies allein zur Haftungsvermeidung genügt.
Rz. 1799
Aktienrechtliche Besonderheiten bestehen bei der Ausgabe von Wandel- oder Gewinnschuldverschreibungen sowie bei Genussrechten und stillen Beteiligungen.
aa) Wandelschuldverschreibungen/Gewinnschuldverschreibungen
Rz. 1800
Die Gesellschaft kann nach § 221 AktG den Vorstand für längstens fünf Jahre ermächtigen, Wandelschuldverschreibungen auszugeben. Notwendig hierfür ist ein Beschluss der Hauptversammlung, § 221 Abs. 1 Satz 2 AktG. Dieser bedarf mindestens einer ¾-Kapitalmehrheit und ist daher wegen § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG stets notariell zu beurkunden. Vorstand und Aufsichtsrat haben den Beschluss sowie eine Erklärung über deren Ausgabe beim Handelsregister zu hinterlegen (§ 221 Abs. 2 Satz 2 AktG). Eine Pflicht zur Eintragung im Handelsregister besteht nicht.
Rz. 1801
Es handelt sich um Schuldverschreibungen, bei denen den Gläubigern oder der Gesellschaft ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien eingeräumt wird. Wandelschuldverschreibungen verbriefen typischerweise das Recht auf Rückzahlung des Nennbetrages nach Ende der Laufzeit und werden bis dahin regelmäßig verzinst. Ein variabler Zinssatz, aber auch Zero-Bonds sind zulässig. Bei der Wandelanleihe oder Wandelschuldverschreibung kommt das Recht der Gläubiger dazu, die Schuldverschreibung zu einem bestimmten Zeitpunkt in Aktien umzutauschen. Der Umtausch kann von weiteren Zahlungen abhängig gemacht werden.
Rz. 1802
Zulässig sind nach § 221 Abs. 1 Satz 1 AktG auch Wandelanleihen mit einem Wandelungsrecht für die Gesellschaft (Wandelanleihen mit Wandelungspflicht (s.o. Rdn 1760 ff.). Der Beschluss der Hauptversammlung über die Ermächtigung solcher Wandelanleihen mit Wandelungspflicht ist wegen der erforderlichen ¾-Kapitalmehrheit nach §§ 221 Abs. 1 Satz 2, 130 Abs. 1 Satz 3 AktG ebenso beurkundungspflichtig.
Rz. 1803
Daneben gibt es sog. Optionsanleihen oder Optionsschuldverschreibungen. Neben dem Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung erhält hier der Berechtigte die Befugnis, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem bestimmten Preis eine bestimmte Menge Aktien der Gesellschaft zu erwerben. I.d.R. werden diese Optionsrechte gesondert verbrieft und mit dem Recht ausgestattet, von einem bestimmten Zeitpunkt an von der eigentlichen Optionsschuldverschreibung getrennt übertragen zu werden.
Rz. 1804
Wandel- oder Optionsanleihen sind ein beliebtes Finanzierungsinstrument. Dem Anleger wird eine gesicherte Festverzinsung und Rückzahlbarkeit gewährt. Zusätzlich erhält er das Recht, durch Ausübung des Umtausch- oder Optionsrecht günstig Aktien zu erwerben bzw. das Optionsrecht zu veräußern. Die AG kann wegen des spekulativen Aspekts einen unter den sonstigen Marktbedingungen liegenden Zinssatz wählen und damit günstig Fremdkapital erhalten.
Rz. 1805
Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen werden üblicherweise mit einem bedingten Kapital (§ 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG), ggf. auch mit einem genehmigten Kapital (§§ 202 ff. AktG) unterlegt. Daneben besteht die Möglichkeit – soweit vorhanden –, eigene Aktien gem. § 71 AktG zu verwenden. Auch eine reguläre Kapitalerhöhung kommt in Betracht, bei der dann die für die ausgegebenen Anleihen benötigten Aktien von einem Treuhänder übernommen werden.
Rz. 1806
Gewinnschuldverschreibungen dienen ebenso der Beschaffung von Fremdkapital. Zusätzlich zum Recht auf Rückzahlung gewähren sie ein Recht, das mit den Gewinnanteilen der Aktionäre in Verbindung steht.
Rz. 1807
Wandel- und Optionsanleihen sowie Gewinnschuldverschreibungen dürfen nach § 221 Abs. 1 AktG nur aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses ausgegeben werden. Eine Satzungsänderung ist damit nicht verbunden. Der Bes...