Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalersetzende Aktionärsdarlehen; Finanzierungsverantwortung; Überschuldung; Fortführungsprognose
Leitsatz (amtlich)
1. Finanzierungsverantwortung i.S.d. Rechtsprechung zum kapitalersetzenden Aktionärsdarlehen kann auch einen Aktionär treffen, der persönlich weniger als 25 % des Aktienkapitals hält, wenn er mittelbar über zumindest dieses Aktienkapital verfügen kann.
2. Eine Finanzierungszusage, die nicht im Insolvenzfall gilt, ist im Rahmen eines Überschuldungstatus nur so lange als Aktiva zu bewerten, wie eine positive Fortführungsprognose besteht. Die Beweislast hierfür trägt derjenige, der sich auf die positive Fortführungsprognose beruft.
Normenkette
GmbHG § 32b; InsO § 19
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 18.08.2006; Aktenzeichen 15 O 581/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Bonn vom 18.8.2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Aktionär und Aufsichtsrat der D., die Telekommunikationsdienstleistungen erbrachte. Auf Antrag der D. AG vom 19.2.2002 wurde durch Beschluss des AG Bonn vom 30.4.2002 das Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Schuldnerin gab im Oktober 2001 Namens-Schuldverschreibungen i.H.v. 2 Mio. EUR ("Schuldverschreibungen A") und im November 2001 weitere Schuldverschreibungen i.H.v. 700.000 EUR ("Schuldverschreibungen B") aus. In § 7 der jeweiligen Anlagebedingungen wurde die Bestellung von Sicherheiten geregelt und zwar
I. bei der "Schuldverschreibung A" die Abtretung der "Kundenforderungen aus den vermittelten Call-by-Call-Telefongesprächen gegenüber ihren Kunden in Form der Kaufpreisforderung aus dem Factoringvertrag mit der Clearinggesellschaft, der Firma O. GmbH" und
II. bei der "Schuldverschreibung B" die Abtretung der "Kundenforderungen aus Sprachtelefondienstleistungen im Rahmen von Preselectionsverträgen gegenüber denjenigen Kunden, deren Namen bzw. Firma mit den Anfangsbuchstaben A bis K, N und T bis Z beginnen".
Die Abtretung erfolgte jeweils an die T. Treuhand GmbH als Treuhänder.
Der Kläger erwarb in insgesamt vier einzelnen Geschäften, die am 5. und 23.10. sowie am 15. und 23.11.2001 vorgenommen wurden, für 500.000 EUR Schuldverschreibungen der Serie "A" und sämtliche Schuldverschreibungen der Serie "B". In der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrages durch die Schuldnerin am 19.2.2002 sind aus den abgetretenen Forderungen 2.733.157,66 EUR bei der Schuldnerin eingegangen. Die Zahlungen bezogen sich auf Telefondienstleistungen, die nach dem 17.12.2001 erbracht und abgerechnet worden waren. Der Treuhänder hat in einem vom LG Landshut am 29.9.2005 (23 O 3090/04) gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich "sämtliche Ansprüche ..., die ihr aus diesem Treuhandverhältnis ggü. der D. AG in Insolvenz bzw. gegenüber deren Insolvenzverwalter ... zustehen ...", an den Kläger abgetreten. Der Kläger hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 23.6.2003 den Gesamtanleihebetrag gekündigt.
Während der Beklagte zu 1) die Ansprüche der beiden anderen Inhaber der Schuldverschreibungen befriedigt hat, wurde dies ggü. dem Kläger, der ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO geltend gemacht hat, mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um eigenkapitalersetzende Darlehen gehandelt habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu 1) zu Recht die Einrede der Anfechtbarkeit erhoben habe. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Anleiheverträge gem. § 131 InsO anfechtbar seien und deshalb über die Frage, ob es sich bei der Zeichnung der Anleihe durch den Kläger um ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen gehandelt habe, nicht entschieden. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 18.8.2006 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, der zudem die Klage dahin erweitert, dass er den Insolvenzverwalter auf Schadensersatz wegen Verletzung seines Absonderungsrechtes gem. § 60 InsO in Anspruch nimmt. Der Kläger meint, dass die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nicht vorgelegen haben, weil die Abtretung der Forderungen bereits mehr als drei Monate vor der Insolvenzantragstellung erfolgt sei. Auch sei die Schuldnerin bis Anfang 2002 nicht insolvenzreif gewesen. Der Beklagte habe dementsprechend auch früher sein Absonderungsrecht anerkannt. Jedenfalls sei er zur Gleichbehandlung verpflichtet, nachdem der Beklagte die Zeichner der anderen Anleihen befriedigt habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LG Bonn vom 18.8.2006 - 15...