Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1245
Über die Art der Abstimmung entscheidet der Versammlungsleiter. Nach § 134 Abs. 4 AktG kann die Satzung Vorgaben machen. Zulässig ist auch, dass die Satzung anstelle eines starren Abstimmungsverfahrens dem Versammlungsleiter ein Ermessen einräumt, die Art der Abstimmung flexibel festzulegen. Liegt eine solche Satzungsbestimmung vor, kann sich die Hauptversammlung mittels Verfahrensbeschluss nicht über die Entscheidung des Versammlungsleiters hinwegsetzen. Enthält die Satzung keine Regelung, entscheidet ebenso der Versammlungsleiter. Dabei ist jede Form der Abstimmung, mit der der Mehrheitswille schnell und zuverlässig festgestellt wird, zulässig. Zulässig ist hierbei insbesondere auch die "elektronische Wahlurne", bei der die Stimmabgabe in ein Tablet eingegeben wird. Allerdings kann nach h.M. die Hauptversammlung qua Geschäftsordnungsantrag mit einfacher Mehrheit das vom Versammlungsleiter vorgesehene Abstimmungsverfahren ändern.
Rz. 1246
Abgestimmt wird über jeden Beschlussantrag einzeln. Zulässig sind Blockabstimmungen bzw. eine sog. Listenwahl. Eine Blockabstimmung liegt vor, wenn über mehrere Beschlusspunkte einheitlich abgestimmt wird. Im AktG ist dies ausdrücklich nur für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG vorgesehen, soweit nicht nach § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG Einzelentlastung beantragt wird. Von Listenwahl spricht man, wenn – wie bei der Aufsichtsratswahl nach § 101 AktG – mehrere Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind, hierbei aber nicht eine Einzelwahl stattfindet, sondern eine sog. Listenwahl oder Globalwahl, bei der die Liste nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden kann. Erst wenn die Liste insgesamt abgelehnt wird, findet eine Einzelwahl statt. Statthaft ist bei der Aufsichtsratswahl schließlich noch die "Simultanwahl". Darunter versteht man die Möglichkeit, auf einem "Wahlzettel" durch Ankreuzen von Namen (oder Ja- bzw. Nein-Kästchen) zwischen den verschiedenen Kandidaten zu differenzieren.
Rz. 1247
Die Satzung kann dem Versammlungsleiter die Durchführung einer Listenwahl ausdrücklich gestatten. Fehlt eine Satzungsregel, muss der Versammlungsleiter vor der Abstimmung darauf hinweisen, dass Aktionäre, die bei der Listenwahl auch nur gegen einen der Vorgeschlagenen stimmen wollen, bzw. die bei der Blockabstimmung auch nur gegen einen Vorschlag sind, insgesamt gegen die Liste bzw. den Vorschlag stimmen müssen. Außerdem ist Voraussetzung einer solchen Blockabstimmung, dass zwischen den in einem Beschlussvorgang zusammengefassten Vorschlägen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Wird die Liste insgesamt abgelehnt, findet eine Einzelabstimmung statt. Bei einem etwaigen Widerspruch gegen die Blockabstimmung bzw. Listenwahl muss der Versammlungsleiter nach einer Ansicht zunächst über einen entsprechenden Verfahrensantrag bzw. Geschäftsordnungsantrag "Blockabstimmung oder Einzelabstimmung" die Hauptversammlung abstimmen lassen. Erst danach darf der eigentliche Sachantrag zur Abstimmung gestellt werden. Nach a.A. ist es zulässig, dass der Versammlungsleiter die beiden Abstimmungsvorgänge Geschäftsordnungsantrag und Listenwahl verbindet und dabei darauf hinweist, dass die mehrheitliche Annahme der Liste zugleich eine Ablehnung der Einzelwahl einschließt. Unzulässig ist es, nur auf den Antrag eines einzelnen Aktionärs sofort eine Einzelabstimmung durchzuführen.
Rz. 1248
Regelmäßig findet eine offene Abstimmung statt, etwa durch Handaufheben, Zuruf. Im Fall einer offenen Abstimmung muss bei einer Online-Teilnahme oder Briefwahl nach § 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG das Abstimmungsverhalten der Briefwähler und Online-Teilnehmern den in der Hauptversammlung anwesenden/vertretenen Aktionären zur Kenntnis gebracht werden. Gleiches gilt umgekehrt für Online-Teilnehmer bezüglich des Stimmverhaltens der Präsenz-Aktionäre, soweit dieses Recht nicht ausgeschlossen wurde (§ 118 Abs. 1 Satz 2 AktG). Briefwähler sind dagegen nicht zu informieren, da sie keine Teilnehmer der Hauptversammlung sind (§ 118 Abs. 2 AktG).
Rz. 1249
Zulässig ist auch eine verdeckte Abstimmung durch Abgabe von Stimmkarten, Stimmabschnitten oder im Wege elektronischer Abstimmung. Namentlich bei größeren Hauptversammlungen findet immer eine verdeckte Abstimmung statt, weil nur sie eine zeitnahe und exakte Feststellung des Abstimmungsergebnisses ermöglicht. Sofern im Einzelfall berechtigte Geheimhaltungsinteressen bestehen, etwa bei wirtschaftlicher, sozialer Abhängigkeit, besteht im Einzelfall ein Anspruch auf verdeckte Abstimmung.
Rz. 1250
Unzulässig ist eine geheime Abstimmung. Die Gesellschaft (nicht unbedingt die anderen Aktionäre) muss – nicht zuletzt in Hinblick auf die Kontrolle von Stimmverboten mögliche Anfechtungsklagen und Schadensersatzklagen wegen treuwidriger Stimmabgaben – in der Lage sein, nachzuweisen, wer für welchen Antrag wie viele Stimmen abgegeben hat.