Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1495
§ 126 AktG enthält Regelungen zu Gegenanträgen von Aktionären gegen Beschlussvorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat zu einem bestimmten Punkt der Tagesordnung. Unter den in § 126 Abs. 1–3 AktG näher genannten Voraussetzungen ist die Gesellschaft verpflichtet, diese Gegenanträge unverzüglich über die Internet-Seite der Gesellschaft (§ 126 Abs. 1 Satz 3 AktG) oder den Bundesanzeiger zugänglich zu machen. Bezweckt werden soll damit eine frühzeitige Information über eine beabsichtigte Opposition zu Beschlussvorschlägen der Verwaltung.
Rz. 1496
§ 126 AktG regelt allein die frühzeitige Information. In der Übersendung eines Antrags oder dessen Zugänglichmachung nach § 126 AktG liegt noch keine Stellung des Antrags in der Hauptversammlung. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Ankündigung. Der so eingereichte Gegenantrag muss ausdrücklich noch in der Hauptversammlung gestellt werden, damit ein wirksamer Antrag vorliegt und eine Abstimmung über diesen erfolgen kann.
Rz. 1497
Die dargestellte Zweistufigkeit hat zur Folge, dass diejenigen Aktionäre, die ihr Stimmrecht bereits vor der Versammlung ausüben, über die später in der Versammlung gestellten Anträge nicht mehr abstimmen können.
Rz. 1498
Die neue Regelung will dies daher für die virtuelle Hauptversammlung modifizieren. Den Aktionären bleibt es davon unbenommen, Gegenanträge spontan auch erst in der Versammlung selbst zu stellen (§ 118a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AktG).
Rz. 1499
§ 126 Abs. 4 Satz 1 AktG regelt, dass die zugänglich zu machenden Anträge ab dem Zeitpunkt der Zugänglichmachung als gestellt gelten. Hierbei handelt es sich also um eine Fiktion der Antragstellung. Diese Anträge müssen und können dann in der Versammlung nicht mehr gestellt werden. Eine Rücknahme des Antrages bleibt möglich.
Rz. 1500
Infolge der Fiktion muss nach § 126 Abs. 4 Satz 2 AktG auch eine frühzeitige Ausübung des Stimmrechts zu den Gegenanträgen ermöglicht werden. Die Gesellschaft hat diese in ihr elektronisches Abstimmungssystem einzustellen.
Rz. 1501
Vor diesem Hintergrund der frühzeitigen Abstimmung ist der Begriff des "Gegenantrags" einzuschränken. Gegenantrag i.S.d. § 126 AktG ist nur der Antrag, der sich nicht auf die bloße Ablehnung eines Verwaltungsvorschlags beschränkt, sondern auf dessen Änderung abzielt. Andernfalls müsste über jeden den Vorschlag der Verwaltung ablehnenden Antrag der Aktionäre sofort abgestimmt werden, was letztlich zur Folge hätte, dass in der Hauptversammlung über den eigentlichen Antrag nicht mehr abgestimmt werden könnte. Auch sonst spricht man nicht von einem Gegenantrag i.S.d. § 126 AktG, wenn ein Aktionär nur ankündigt, gegen den Vorschlag der Verwaltung zu stimmen.
Rz. 1502
§ 126 Abs. 4 AktG regelt schließlich, dass eine vorzeitige Abstimmung über diese nach § 126 AktG zugänglich zu machenden Gegenanträge zu ermöglichen ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Ausübung des Stimmrechts vorliegen und wenn auch der Antragssteller ordnungsgemäß legitimiert ist (Nachweis des Anteilsbesitzes, Anmeldung).
Rz. 1503
Wie eine solche vorzeitige Abstimmung zu erfolgen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Zu denken ist an eine elektronische Briefwahl oder an die Erteilung von Vollmachten bzw. Weisungen an den Stimmrechtsvertreter.
Rz. 1504
§ 126 Abs. 4 Satz 3 AktG bestimmt, dass der aufgrund der Fiktion gestellte Gegenantrag in der Versammlung nicht behandelt werden muss, wenn es an den dort festgelegten Voraussetzungen fehlt. In diesem Fall ist es, auch im Vergleich zur Präsenzversammlung und ausgehend vom Rechtsgedanken des § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AktG, gerechtfertigt, dass von einer Behandlung des Antrags abgesehen werden kann.