Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 989
Nach § 108 Abs. 1 AktG entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss. Zulässig ist eine schriftliche Stimmabgabe nach § 108 Abs. 3 AktG sowie überhaupt eine schriftliche, fernmündliche oder vergleichbare Art der Beschlussfassung (Videokonferenz, Internetkonferenz; s.o. Rdn 985), sofern nicht ein Mitglied widerspricht (§ 108 Abs. 4 AktG). Die Satzung oder die Geschäftsordnung können aber Abweichendes vorsehen. Statthaft ist ebenso eine "gemischte Beschlussfassung", beider abwesende Aufsichtsratsmitglieder entweder telefonisch oder per Videokonferenz zugeschaltet sind und so (oder etwa per E-Mail) an der Beschlussfassung teilnehmen. Zulässig ist es nach h.M. aber auch, den bei der Sitzung abwesenden Mitgliedern das Recht zu nachträglicher Stimmabgabe innerhalb angemessener Zeit in schriftlicher, fernmündlicher oder anderer vergleichbarer Form vorzubehalten (§ 108 Abs. 4 AktG). Eine besondere Ermächtigung in der Satzung ist nicht erforderlich.
Rz. 990
Soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, müssen bei der Beschlussfassung mindestens die Hälfte der Mitglieder, in jedem Fall jedoch mindestens drei Mitglieder teilnehmen (§ 108 Abs. 2 AktG). Auch Stimmenthaltung ist Teilnahme i.S.d. Beschlussfähigkeit. Gleiches gilt, wenn für ein anwesendes Aufsichtsratsmitglied ein Stimmverbot besteht und dieses sich der Stimme enthält. Für die Beschlussfassung genügt einfache Stimmenmehrheit; Stimmenthaltungen werden nicht mitgerechnet; bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Die Satzung, nicht aber die Geschäftsordnung kann dem Aufsichtsratsvorsitzenden einen Stichentscheid einräumen. Ein Vetorecht ist unzulässig.
Rz. 991
Nicht anwesende Aufsichtsratsmitglieder können an der Beschlussfassung auch durch schriftliche Stimmabgabe teilnehmen. § 108 Abs. 3 AktG gestattet die Beschlussfassung durch Stimmboten. Stimmboten können die anderen Aufsichtsratsmitglieder sein (§ 108 Abs. 3 Satz 2 AktG), andere Personen nur, wenn sie qua Satzung berechtigt sind, an der Aufsichtsratssitzung teilzunehmen (§§ 108 Abs. 3 Satz 3, 109 Abs. 3 AktG). Der Stimmbote darf keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben. Nach einer Ansicht ist nur eine vollständig ausgefüllte und unterschriebene Stimmabgabe gültig. Nach a.A. genügt es, wenn exakte Weisungen über die Stimmabgabe vorliegen, sodass kein eigenes Ermessen des Stimmboten besteht. Eine Stellvertretung von Aufsichtsratsmitgliedern ist in jedem Fall unzulässig (§§ 108 Abs. 3 Satz 1, 111 Abs. 5 AktG).
Rz. 992
Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das gleiche Stimmrecht. Ein Stimmverbot richtet sich nach § 34 BGB analog. Danach besteht ein Stimmverbot in den Fällen des "Richtens in eigener Sache", wenn z.B. über ein Rechtsgeschäft abgestimmt wird, an dem ein Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, bzw. wenn über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen der AG und einem Aufsichtsratsmitglied beschlossen werden soll. Gleiches gilt, wenn ein Beschluss über einen Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG gefasst werden soll. Str. ist, ob das Aufsichtsratsmitglied bei seiner eigenen Wahl in den Vorstand mit abstimmen darf. Die h.M. bejaht ein Stimmverbot. Kein Stimmverbot besteht, wenn es um die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden oder um sonstige Funktionen innerhalb des Aufsichtsrates geht.
Rz. 993
Ebenso kann die Stimmabgabe im Aufsichtsrat treuwidrig und damit unwirksam sein, etwa wenn die Stimmabgabe dem Unternehmenswohl nicht entspricht.