Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 994
§ 107 Abs. 2 Satz 3 AktG bestimmt, dass Mangel der Niederschrift über die Aufsichtsratssitzungen nicht zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse führen. Weiter verlangt der entsprechend anwendbare § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass es zur Wirksamkeit des Beschlusses der Angabe des Gegenstands der Beschlussfassung bei der Einberufung bedarf.
I.Ü. enthält das Gesetz keine Regelungen über die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse. Es wird nach der Schwere des Fehlers unterschieden. Teilweise wird zwischen der Nichtigkeit und der bloßen Anfechtbarkeit solcher fehlerhafter Beschlüsse differenziert, wobei z.T. die Regeln über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach §§ 241 ff. AktG analog angewendet wurden. Der BGH lehnt dies ab. Nach Ansicht des BGH sind Aufsichtsratsbeschlüsse, die in verfahrensmäßiger oder inhaltlicher Beziehung gegen zwingendes Gesetzes- und Satzungsrecht verstoßen, im Grundsatz nichtig und nicht lediglich anfechtbar. Er erkennt aber an, dass die Nichtigkeitsfolge im Interesse der Rechtssicherheit zurückgedrängt werden müsse. Als geeignetes Mittel sieht er dabei das Rechtsinstitut der Verwirkung an. Bei minderschweren Mängeln ist eine Einwendung gegen den Beschluss verwirkt, wenn sie nicht mit aller zumutbaren Beschleunigung geltend gemacht worden ist.
Rz. 995
Aufsichtsratsbeschlüsse, deren Inhalt gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung verstoßen (sog. Inhaltsmängel), sind daher grds. uneingeschränkt nichtig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Verstöße gegen im öffentlichen Interesse gegebene Vorschriften handelt. Beschlüsse, die nicht nach ihrem Inhalt, sondern in der Form des Zustandekommens gegen Gesetz oder Satzung verstoßen (sog. Verfahrensmängel) sind dann uneingeschränkt nichtig, wenn gegen Vorschriften verstoßen wurde, auf deren Einhaltung die Aufsichtsratsmitglieder nicht verzichten können. Dazu zählt nach wohl überwiegender Ansicht z.B. der Fall der fehlenden Beschlussfähigkeit, der Nichtladung oder der unzulässige Ausschluss einzelner Aufsichtsratsmitglieder. Anderenfalls besteht nur eine eingeschränkte Nichtigkeit. Auf die uneingeschränkte Nichtigkeit kann sich grds. jedes Mitglied des Aufsichtsrates und des Vorstands (Aktionäre wohl nur bei Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses) berufen. Im Fall der eingeschränkten Nichtigkeit ist es dagegen erforderlich, innerhalb einer Rügefrist von einem Monat analog § 246 AktG die Nichtigkeit geltend zu machen. Ausreichend ist dafür zunächst eine Erklärung ggü. dem Aufsichtsratsvorsitzenden; die Erhebung einer Klage ist nicht unbedingt erforderlich. Geltend machen können den Mangel nur die Aufsichtsratsmitglieder.
Rz. 996
Ist der Aufsichtsrat insgesamt nichtig bestellt, sind die von ihm gefassten Beschlüsse nichtig. Ist nur die Bestellung einzelner Mitglieder nichtig, ist deren Stimmabgabe nichtig. Für die Wirksamkeit der Beschlussfassung kommt es darauf an, ob der Aufsichtsrat nach Abzug der nichtig bestellten Mitglieder noch beschlussfähig war und der Beschluss die erforderliche Mehrheit erhalten bleibt.
Rz. 997
Nach Auffassung des BGH gilt bei Rechtshandlungen eines nicht (mehr) im Amt befindlichen Aufsichtsrates nicht die Lehre vom fehlerhaften Organ. Wird aufgrund einer Anfechtungsklage ein Wahlbeschluss für nichtig erklärt, wirkt dies auf den Beschlusszeitpunkt ex tunc zurück (§§ 250 Abs. 1, 241 Nr. 5 AktG). Das Aufsichtsratsmitglied, dessen Wahl nichtig ist oder für nichtig erklärt wird, ist für die Stimmabgabe und Beschlussfassung wie ein Nichtmitglied zu behandeln.
Rz. 998
Sofern die Stimmen der als Nichtmitglieder zu behandelnden Aufsichtsräte für die Beschlussfassung oder Ablehnung eines Beschlussantrags ursächlich geworden sind, ist der Beschluss nicht gefasst. Ebenso kommt eine Umkehrung des Beschlussergebnisses in Betracht.
Rz. 999
Soweit eine Rückabwicklung berechtigten Interessen widersprechen würde, ist dem im Einzelfall zu begegnen. Sind Aufsichtsratsbeschlüsse ggü. außenstehenden Dritten vollzogen, sind Dritte dadurch geschützt, dass sie auf die Handlungsbefugnis desjenigen, der die Beschlüsse vollzieht, vertrauen dürfen. Ist z.B. der Beschluss des Aufsichtsrats über die Bestellung des Vorstands unwirksam, sind Rechtshandlungen des Vorstands im Rechtsverkehr nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Organbestellung bis zur Geltendmachung des Mangels im Außenverhältnis wirksam.
Rz. 1000
Wurde von dem an sich nicht wirksam bestellten Vorstand ein Jahresabschluss aufgestellt und von dem nicht mehr im Amt befindlichen Aufsichtsrat gebilligt (§ 172 AktG), ist die Aufstellung des Jahresabschlusses zwar ordnungsgemäß i.S.d. § 256 Abs. 2 AktG. Die Billigung durch den fehlerhaft bestellten Aufsichtsrat macht den Jahresabschluss dagegen nichtig (§ 256 Abs. 2 AktG). Möglich ist eine Heilung nach § 256 Abs. 6 AktG, wenn seit der B...