Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
1. Rückumwandlung (Art. 66 SE-VO)
Rz. 2200
Eine Europäische Gesellschaft (SE) kann auch in eine AG nationaler Rechtsform zurück umgewandelt werden. Diesen Weg hatte im Jahre 2015 die Senvion SE (zunächst AG, sodann GmbH) beschritten. Das Verfahren zur Rückumwandlung ist in Art. 66 SE-VO geregelt.
Die Rückumwandlung steht denknotwendig nur Europäischen Gesellschaften (SE) offen. Einen mehrstaatlichen Bezug, durch eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung vermittelt, muss die Gesellschaft nicht haben. Der Rückumwandlungsbeschluss kann gem. Art. 66 Abs. 1 SE-VO erst 2 Jahre nach der Eintragung in das zuständige Register gefasst werden. Alternativ kann der Beschluss gefasst werden, nachdem die Genehmigung der ersten beiden Jahresabschlüsse erfolgt ist.
Der Zwei-Jahresfrist ist es zu verdanken, dass aus mitbestimmungsrechtlicher Sicht in der Rückumwandlung keine missbräuchliche Verwendung der Rechtsform liegt. Unbedenklich ist daher auch die Umwandlung einer mitbestimmten AG in eine entsprechende SE, um deren Sitz sonach in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen (Art. 8 SE-VO) und die SE nach Ablauf der Sperrfrist des Art. 66 Abs. 1 Satz 2 SE-VO in eine mitbestimmungsfreie nationale Gesellschaftsform ihres neuen Sitzstaates (plc., B.V., Spa etc.) umzuwandeln.
Der Ablauf der Rückumwandlung entspricht weitestgehend dem der Umwandlung einer nationalen AG in eine Europäische Gesellschaft (SE). Grenzüberschreitende Rückumwandlungen sind nicht möglich.
Rz. 2201
Die Praxis könnte diesen Weg nutzen, um den Regelungen zur Mitbestimmung in Deutschland zu entgehen.
Beispiel
Ein Unternehmen könnte über den Umweg der Gründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) in die Rechtsform einer britischen public limited company wechseln. Im Hinblick auf die Regelungen über die Mitbestimmung wäre dann nur noch britisches Recht maßgeblich.
Hinweis
Die Rückumwandlung ist aber nicht die einzige Umstrukturierungsmöglichkeit, die der Europäischen Gesellschaft (SE) offensteht. Die Europäische Gesellschaft (SE) wird gem. Art. 10 SE-VO wie eine nationale AG behandelt. Sie kann daher an Gründungen einer Europäischen Gesellschaft (SE) nach Art. 2 SE-VO ebenso teilnehmen wie an Umstrukturierungsmaßnahmen nach dem deutschen UmwG. Zu beachten ist jedoch, dass die Entstehung einer Europäischen Gesellschaft (SE) nur nach den Regelungen der SE-VO erfolgen kann. So ist bspw. eine Verschmelzung zur Neugründung einer Europäischen Gesellschaft (SE) nach deutschem Umwandlungsrecht unzulässig. Eine Verschmelzung zur Aufnahme mit der Europäischen Gesellschaft (SE) als aufnehmender Gesellschaft ist dagegen möglich.
2. Teilnahme an Umwandlungen nach dem UmwG
Rz. 2202
Art. 66 SE-VO regelt die Umwandlungsmöglichkeiten einer SE nicht abschließend. Ausweislich Art. 10 SE-VO darf die SE weder schlechter (Diskriminierungsverbot) noch besser (Privilegierungsverbot) gestellt werden als nationale AG. Der Gleichstellungsgrundsatz findet seine Grenze in spezielleren Regelungen der SE-VO, denn die SE wird nur "vorbehaltlich" der Regelungen der Verordnung wie eine nationale AG behandelt. Daraus folgt, dass sich die SE an Umwandlungsmaßnahmen nach nationalem Recht beteiligen kann, soweit eine AG an den jeweiligen Umwandlungsmaßnahmen teilnehmen könnte (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 124, 191 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Ausgeschlossen sind Umwandlungsmaßnahmen zur Neugründung, bei denen die Zielrechtsform eine SE sein soll. Eine Umwandlung an deren Ende eine neue "SE" stehen soll, ist ausschließlich nach den Regelungen SE-VO zulässig. Eine SE kann aber wie eine nationale AG an der Gründung weiterer SE nach den Regelungen der SE-VO teilnehmen.
Rz. 2203
Fraglich ist, ob die SE auch direkt in eine andere nationale Rechtsform als die AG wechseln kann. Dies ist zu bejahen. Die Regelung der Rückumwandlung in Art. 66 SE-VO war notwendig, weil das nationale Umwandlungsrecht einen Formwechsel einer SE (dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgend wäre die SE wie eine AG zu behandeln) in eine nationale AG nicht kennt. Ohne diese Regelung wäre der SE der direkte Weg in eine nationale AG versperrt gewesen. Sie hätte den Umweg über eine GmbH oder eine andere Rechtsform gehen müssen. Daher ist die direkte Umwandlung in eine andere Rechtsform als in die AG – etwa KGaA oder GmbH – nach dem nationalen Umwandlungsrecht als zulässig anzusehen. Teilweise werden an dieser weiten Auslegung des Art. 66 SE-VO in Ansehung seiner Entstehungsgeschichte aber ("vernünftige...