Dr. Heribert Heckschen, Dr. Christoph Löffler
Rz. 1646
§§ 56, 71 ff. AktG regeln den Erwerb eigener Aktien.
Nach § 56 Abs. 1 AktG darf die Gesellschaft keine eigenen Aktien zeichnen. Eine solche Zeichnung ist nichtig. Nach § 56 Abs. 2 AktG gilt diese Verbotsnorm auch für abhängige bzw. im Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen. § 56 Abs. 3 AktG verbietet, als Gründer oder Zeichner Aktien für Rechnung der Gesellschaft oder eines abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmens zu übernehmen.
Auch der derivative Erwerb eigener Aktien ist gem. § 71 Abs. 1 AktG grds. verboten. Anders als i.R.d. § 56 AktG beim originären Erwerb bestehen von diesem Verbot jedoch vielfältige Ausnahmen. Diese sind in § 71 Abs. 1 Nr. 1–Nr. 8 AktG enumerativ aufgezählt.
Rz. 1647
Von Bedeutung ist § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. Danach kann die Hauptversammlung den Vorstand für einen Zeitraum von max. 5 Jahren ermächtigen, eigene Aktien bis höchstens 10 % des Grundkapitals zu erwerben. Enthält der Ermächtigungsbeschluss keine Fristangabe, ist der Beschluss nichtig.
Rz. 1648
Bei § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG ist der Zweck des Erwerbs nicht vorgegeben. Gleichwohl muss dieser Zweck grds. von der Hauptversammlung mitbeschlossen werden. Die Hauptversammlung kann i.R.d. Ermächtigung mehrere Erwerbszwecke vorgeben. Tut sie dies nicht, so ist die Zweckbestimmung Aufgabe der Geschäftsführung und erfolgt durch Vorstandsbeschluss. Auch eine Ermächtigung zur Einziehung ist möglich. Im Unterschied zum zulässigen Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG, der ebenfalls einen Erwerb zum Zweck der Einziehung ermöglicht, ist bei § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG kein vorheriger Beschluss der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals erforderlich. Anders als dort darf also der Vorstand i.R.d. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG auch im Hinblick auf einen erst künftigen Herabsetzungsbeschluss tätig werden. Soweit der Hauptversammlungsbeschluss keine Auflagen macht, entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen. Ebenso entscheidet der Vorstand bei Stückaktien über Herabsetzungs des Kapitals oder Erhöhung der (rechnerischen) Kapitalquote pro Aktie. Für den Erwerb und die Veräußerung der Aktien gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz (§§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3, 53a AktG). Beim Erwerb über die Börse sind kapitalmarktrechtliche Vorschriften zu beachten (§§ 14, 15, 20a WpHG). Anwendung findet auch das WpÜG.
Rz. 1649
Die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien bedarf nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG eines Beschlusses der Hauptversammlung. Es genügt einfache Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG). Anders ist es, wenn die Hauptversammlung gleichzeitig eine andere Art der Veräußerung als über die Börse beschließt. Wegen § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 AktG i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 2 AktG ist eine qualifizierte Kapitalmehrheit nötig. In diesem Fall ist dann auch ein schriftlicher Bericht an die Hauptversammlung zu erstatten (§ 186 Abs. 4 Satz 2 AktG). Streitig ist, ob diese Verweisung auf die Vorschriften zum Bezugsrechtsausschluss bei jedem außerbörslichen Verkauf gilt oder nur dann, wenn bei einem außerbörslichen Verkauf auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen wird (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 3 AktG). Streitig ist weiter, ob der Hauptversammlungsbeschluss einer einfachen oder qualifizierten Mehrheit bedarf, wenn der Vorstand gleichzeitig zur Einziehung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG ermächtigt wird. Wegen Umgehung der §§ 237 Abs. 1 Satz 2, 222 AktG ist nach einer Ansicht eine qualifizierte Kapitalmehrheit erforderlich; andere lassen einfache Mehrheit genügen, weil § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 AktG nicht ausdrücklich etwas anderes verlangt. Eine Eintragung im Handelsregister ist nicht erforderlich.
Rz. 1650
Der Gesamtnennbetrag der zu den Zwecken des § 71 Abs. 1 Nr. 1–Nr. 3, Nr. 7 und Nr. 8 AktG erworbenen Aktien darf zusammen mit dem Betrag anderer Aktien der Gesellschaft, die die Gesellschaft bereits erworben hat und noch besitzt, 10 % des Grundkapitals nicht übersteigen (§ 71 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Angabe eines Prozentsatzes genügt. Zulässig ist dieser Erwerb i.Ü. nur, wenn die Gesellschaft die nach § 272 Abs. 4 HGB vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann. Soweit die Gesellschaft Aktien in zulässiger Weise erwerben darf, darf sie diese Aktien nach § 71c Abs. 2 AktG nur behalten, solange diese nicht 10 % des Grundkapitals übersteigen.
Rz. 1651
Wird gegen § 71 AktG verstoßen, ist das schuldrechtliche Rechtsgeschäft nach § 71 Abs. 4 AktG nichtig. Nicht betroffen ist das dingliche Rechtsgeschäft. Diese Aktien sind nach § 71c Abs. 1 AktG innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb wieder zu veräußern. Soweit die Gesellschaft einen nach § 71 Abs. 4 Satz 2 AktG nichtigen Kaufvertrag erfüllt, liegt in der Zahlung des Kaufpreises eine verbotene Einlagerückgewähr. Diese ist nach § 62 AktG auszugleichen.
Hinweis
Hat die Gesellschaft eigene Aktien erworben, kann sie nach § 71b AktG aus diesen ...