I. Muster: Möglichkeiten bei der Versäumung von Rechtsbehelfsfristen I – Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

 

Rz. 42

Muster 10.7: Möglichkeiten bei der Versäumung von Rechtsbehelfsfristen I – Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

 

Muster 10.7: Möglichkeiten bei der Versäumung von Rechtsbehelfsfristen I – Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X

_________________________ (Adresse)

Sehr geehrte/r Herr/Frau _________________________,

1. Anlass und Zweck des Überprüfungsantrages

Sie haben einen Bescheid erhalten und versäumt, innerhalb der Monatsfrist Widerspruch einzulegen? In diesen Fällen kommt ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X in Betracht. Das Sozialgesetzbuch X sieht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit vor, auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist eine nochmalige Überprüfung des Bescheides durchführen zu lassen, wodurch die Bestandskraft des Bescheids durchbrochen werden kann. Die Widerspruchsfrist finden Sie regelmäßig am Ende des Bescheids.

2. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Überprüfungsantrag gestellt werden?

Sie können den Bescheid auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist anfechten, wenn Sie der Auffassung sind, dass die Behörde

das Recht unrichtig angewandt hat oder
der Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Sie müssen für den Antrag keine Frist beachten. Allerdings können Rückzahlungen (z.B. für zu niedrig berechnete Renteetc.) für längstens vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden, wobei im Bereich der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bzw. dem SGB XII die Möglichkeiten der rückwirkenden Überprüfung auf die Dauer eines Jahres begrenzt ist.

3. In welchen Rechtsbereichen ist der Antrag zulässig?

Der Überprüfungsantrag ist grundsätzlich in allen in den Sozialgesetzbüchern geregelten Rechtgebieten anwendbar. Dies betrifft u.a. das Recht

der Arbeitsförderung,
der Krankenversicherung,
der Rentenversicherung,
der Unfallversicherung.
der Pflegeversicherung,
der Grundsicherung und
der Sozialhilfe.

4. An welche Stelle ist der Antrag zu richten?

Den Antrag richten Sie an die Behörde, welche den Bescheid erlassen hat.

Die zuständige Behörde ist vorliegend die/das _________________________.

5. Begründung des Antrags und Gang des Verfahrens

Sie beantragen bei der Behörde,

"den Bescheid vom _____ gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen."

Der Antrag ist zu begründen. Legen Sie dar, weshalb der Bescheid nach Ihrer Auffassung unrichtig ist oder inwiefern die Behörde von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Erfolgt keine Darlegung und ist der Bescheid nicht offensichtlich unrichtig, besteht die Gefahr, dass die überprüfende Behörde den Antrag ohne weitere Sachprüfung ablehnt.

Gibt die Behörde dem Antrag statt, so hebt sie den Bescheid auf und Sie erhalten einen neuen ggf. geänderten Bescheid. Wird der Antrag abgelehnt, wird Ihnen dies wiederum durch einen negativen Überprüfungsbescheid bekannt gegeben, gegen welchen Sie dann den Rechtsweg durch Widerspruch und Klage beschreiten können.

6. Kosten

Der Antrag selbst ist grundsätzlich kostenfrei. Wenn Sie einen Anwalt beauftragen, müssen Sie die Anwaltskosten tragen, einen Erstattungsanspruch des Anwalts gegen die Behörde gibt es im Überprüfungsverfahren nicht. Ggf. können Sie Beratungshilfe beantragen, siehe hierzu Merkblatt Beratungshilfe.

Mit freundlichen Grüßen

_________________________

(Rechtsanwalt)

II. Erläuterungen

 

Rz. 43

& Zu 1.

Der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X ist regelmäßig dann angezeigt, wenn der Bescheid bereits rechtskräftig und damit grundsätzlich unanfechtbar ist. Die Voraussetzung der Unanfechtbarkeit ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. Soweit allerdings noch Rechtsbehelfsfristen laufen, kann ein Antrag nach § 44 SGB X nur bei einer Rücknahme von Amts wegen erforderlich sein. Unerheblich ist, ob der Bescheid bereits durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde oder auf einem Vergleich beruht. Es besteht nur dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses kein Überprüfungsanspruch mehr, wenn die Rücknahme des Bescheides keine Auswirkungen mehr haben kann.

 

Rz. 44

& Zu 2.

Voraussetzung des Antrags nach § 44 SGB X ist, dass ein belastender Bescheid, der bereits rechtskräftig ist, auf einer unrichtigen Rechts- oder Sachverhaltsanwendung der erlassenden Behörde beruht und aus diesem Grund rechtswidrig ist. Infolgedessen ist der Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. In folgenden Fällen wird die Rechtswidrigkeit angenommen:

Die Entscheidung verletzt formelles oder materielles Recht,
eine Ermessensentscheidung beruht auf Ermessensfehlern,
die Rechtsprechung, auf welcher der Bescheid beruht, wurde zwischenzeitlich aufgegeben oder verändert,
die Entscheidung verstößt gegen die ständige Verwaltungspraxis.
 

Rz. 45

& Zu 3.

Der § 44 SGB X ist grundsätzlich in allen in den Sozialgesetzbüchern geregelten Rechtgebieten anwendbar. Dies betrifft z.B. das Recht der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Sozialhilfe, Grundsicherung, Pflegeversicherung und Unfallversicherung. Die Anwendbarkeit gilt auch für die Bereiche des SGB II und des SGB XII. Die früher vom BVerwG für das BSHG gesehene Ausnahme für die Gebiete Sozialhilfe un...

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