Carolin Ott, Anja Surwehme
Rz. 28
& Vorbemerkung
Die Pflegekassen sind bei den Krankenkassen und bei der Bundesknappschaft eingerichtet. Sie sind dennoch ein eigener Träger der Sozialversicherung. Versicherungsnehmer haben einen Anspruch auf Pflegeleistungen, wenn sie pflegebedürftig sind. Das SGB XI sieht Geld- oder Sachleistungen vor, durch die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung finanziert werden. Wird ein Pflegebedürftiger zu Hause ohne Inanspruchnahme eines (ambulanten) Pflegedienstes gepflegt, erhält er ein dem jeweiligen Pflegegrad entsprechendes Pflegegeld. Die Pflegekassen bezahlen weiterhin technische Pflegehilfsmittel und beteiligen sich an Kosten für Umbaumaßnahmen des Wohnumfelds, die für eine häusliche Pflege erforderlich sein können, oder erbringen Sachleistungen durch die Kostenübernahme für einen ambulanten Pflegedienst. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung beträgt ab dem 17.2023 3,40 %. Kinderlose Versicherte ab dem vollendeten 23. Lebensjahr zahlen noch zusätzlich den sog. Kinderlosenzuschlag in Höhe von 0,60 %, sodass der Beitragssatz dann bei 4,00 % liegt.
Die Leistungen werden abhängig von dem Pflegegrad gezahlt:
Pflegegrad |
Pflegegeld |
Pflegesachleistung |
Vollstationäre Pflege |
1 |
125 EUR |
– |
125 EUR |
2 |
316 EUR |
724 EUR |
770 EUR |
3 |
545 EUR |
1.363 EUR |
1.262 EUR |
4 |
728 EUR |
1.693 EUR |
1.775 EUR |
5 |
901 EUR |
2.095 EUR |
2.005 EUR |
Eine Erhöhung der Pflegegeldzahlungen um 5 % ist für den 1.1.2024 angekündigt.
Seit dem 1.1.2022. beteiligen sich die Pflegeversicherungen bei einer vollstationären Pflege, also der Unterbringung in einem Pflegeheim, an den Eigenanteilen der Versicherten mit gestaffelten Beträgen:
▪ |
im ersten Jahr mit 5 % des Eigenanteils |
▪ |
im zweiten Jahr mit 25 % des Eigenanteils |
▪ |
im dritten Jahr mit 45 % des Eigenanteils und |
▪ |
ab dem 36. Monat mit 70 % des Eigenanteils |
Pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind gem. § 14 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Vorübergehende Beeinträchtigungen, beispielsweise im Anschluss an durchgeführte Operationen, sind nicht Gegenstand der Pflegeversicherung, können aber einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung, beispielsweise nach § 39c SGB V, auslösen.
Rz. 29
& Zu 1.
a) Fristberechnung
Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat (nicht vier Wochen!).
Die Frist knüpft an die Bekanntgabe des Rentenbescheids an. Der Bescheid gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (Drei-Tages-Fiktion). Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch dann, wenn der Bescheid tatsächlich früher zugegangen ist.
Beispiel zur Fristberechnung
Die Behörde gibt den Bescheid per Einschreiben am Donnerstag, 15.1., zu Post, tatsächlich zugestellt wird der Bescheid am Samstag, 17.2. Nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X gilt als Bekanntgabe Sonntag, der 18.1. (Drei-Tages-Fiktion), sodass die Frist am 18.2. um 24.00 Uhr endet.
Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung, so gilt gemäß § 66 Abs. 2 SGG die Jahresfrist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist gemäß § 36 SGB X nur ordnungsgemäß, wenn sie folgende Mindestangaben enthält:
▪ |
Bezeichnung des Rechtsbehelfs |
▪ |
Benennung der zuständigen Widerspruchsbehörde |
▪ |
Sitz der den Bescheid erlassenden Behörde |
▪ |
Frist |
▪ |
Form |
Rz. 30
b) Folgen der Fristversäumnis
Wird der Widerspruch nicht fristgemäß eingereicht, so ist er unzulässig. Ggf. kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (siehe Muster Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rdn 49>).
Rz. 31
& Zu 2. und 3.
Kernbereich des Widerspruchsverfahrens ist die Begründung. Sie ist zwar nicht vorgeschrieben, indes sinnvoll, wenn der Widerspruch zum Erfolg führen soll. Für die Feststellung eines Pflegegrades ist das MD-Gutachten von entscheidender Bedeutung. Eine Übersendung ist für eine fundierte Begründung unerlässlich.
Die vom MD – während der Corona-Pandemie teilweise nur aufgrund telefonischer Befragung – erhobenen Daten sind mit der Situation des Betroffenen abzugleichen, wobei für die Selbsteinschätzung auf ein Pflegetagebuch zurückgegriffen werden kann, für welches es im Internet geeignete Vorlagen gibt.
Zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird seit 2017 das neue Begutachtungsassessment (NBA) verwendet. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung ist zu prüfen, ob das MD-Gutachten die im NBA vorgesehenen sechs Module richtig anwendet und gewichtet. Diese sind:
▪ |
Mobilität (10 %) |
▪ |
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15 %) |
▪ |
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 %) |
▪ |
Selbstversorgung (40 %) |
▪ |
Umgang mit krankheits- und therapeutischen Anforderungen und Belastungen (20 %) |
▪ |
Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte (15 %) |
Rz. 32
& Zu 4.
Das Widerspruchsverfahren durchzuführen, löst keine Verwaltungsgebühr aus. Der Rechtsanwalt erhält nach dem RVG eine Geschäfts...