Carolin Ott, Anja Surwehme
Rz. 50
Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist ist der Bescheid bestandskräftig und grundsätzlich nicht mehr angreifbar. Die Rechtskraft dient der Rechtssicherheit. Das Institut des Wiedereinsetzungsantrags soll einen Ausgleich zwischen dem Interesse an der Rechtssicherheit auf der einen Seite und des materiellen Rechts auf der anderen Seite schaffen. Der Wiedereinsetzungsantrag ist bei der Versäumung gesetzlicher Fristen statthaft, bei rein behördlichen Fristen ist er nicht erforderlich. § 27 SGB X kann auch bei Ausschlussfristen zulässig sein, soweit sich aus § 27 Abs. 5 SGB X nicht ergibt, dass die Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Wann eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist, richtet sich nach dem Zweck der Frist und insbesondere danach, wie der Gesetzgeber einerseits das öffentlich-rechtliche Interesse an der Einhaltung der Frist, andererseits das Interesse des einzelnen an ihrer nachträglichen Wiedereröffnung bewertet. In der Bezeichnung als Ausschlussfrist in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte kann ein Indiz dafür liegen, dass eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist. Ausgeschlossen ist die Wiedereinsetzung z.B. bei der Frist zur Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung nach § 197 Abs. 1, 2 SGB VI sowie bei der Versäumung der Frist zur Wiederbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Kein Ausschluss wird dagegen angenommen für die Frist zur Beantragung von Elterngeld nach § 7 Abs. 1 BEEG, für die Antragsfrist auf freiwillige Krankenversicherung nach § 9 Abs. 2 SGB V und für die Antragsfrist zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung nach § 28a Abs. 2 S. 2 SGB III.
Rz. 51
& Zu 1.
a) Zwei-Wochen-Frist
Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von zwei Wochen beantragt werden, nachdem das Hindernis behoben ist. Maßgeblich für die Fristberechnung ist der Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses, nicht hingegen der Zeitpunkt, in welchem dem Antragsteller die Fristversäumnis bekannt geworden ist. Fällt das Hindernis noch während der Rechtsbehelfsfrist weg, so ist die Rechtsbehelfsfrist maßgeblich. Der Antragsteller hat in diesen Fällen keine zweiwöchige Überlegungsfrist, auch wenn ihm für die Einlegung des Rechtsbehelfs so weniger Zeit verbleibt. Die Frist kann demgemäß erst nach Ablauf der Ursprungsfrist beginnen.
Rz. 52
b) Jahresgrenze
Zu beachten ist die absolute Grenze für die Antragsstellung. Diese beträgt nach § 27 Abs. 3 SGB X ein Jahr nach Fristablauf. Nach Ablauf der Jahresfrist ist sowohl der Antrag als auch die Nachholung der Handlung ausgeschlossen. Die Jahresfrist beginnt am Tag nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist.
Rz. 53
& Zu 2.
Im Regelfall ergibt sich die zuständige Behörde/das zuständige Gericht aus der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheides. Zuständig für den Antrag ist die Behörde, die auch für die Entscheidung in der Sache (Widerspruch/Klage) zuständig ist.
Rz. 54
& Zu 3.
a) Fehlendes Verschulden
An das fehlende Verschulden dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es kommt jeweils auf den Einzelfall an. Ggf. ist eine Differenzierung je nach Rechtkenntnis/Rechtunkenntnis erforderlich. Kein Verschulden wird angenommen, wenn der Text des Bescheides unübersichtlich oder sonst schwer verständlich ist. Kein Verschulden liegt vor, wenn bei einer Ersatzzustellung der Bescheid nicht weitergereicht wird, obwohl mit einer Unzuverlässigkeit nicht zu rechnen war. Verschulden wird angenommen, wenn sich auf Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum berufen wird.
Häufige Fragen zur Postlaufzeit: Beteiligte dürfen die gesetzten Fristen voll ausnutzen. Sie müssen jedoch sorgfältig prüfen, ob die verbleibende Zeit bis zum Ablauf der Frist für die vorzunehmende Handlung noch ausreicht. Die regelmäßigen Postlaufzeiten führen nicht zu einer Verlängerung der Frist. Ein Brief muss ausreichend frankiert und richtig adressiert sein. Zu berücksichtigen sind für die Postlaufzeit ggf. eintretende Schwierigkeiten. Ein an die unzuständige Behörde adressiertes Schriftstück schließt ein Verschulden nur aus, wenn die unzuständige Behörde noch ausreichend Zeit hat, das Schriftstück innerhalb der Frist an die zuständige Behörde weiterzuleiten.
Rz. 55
b) Ohne Verschulden des Vertreters
Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich. Die Rechtsprechung verlangt von dem Rechtsanwalt für die Fristeneintragung und ihre Kontrolle ein System, welches die Fristversäumung weitgehend ausschließt.
Rz. 56
c) Begründung/Glaubhaftmachung
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zu begründen. Erforderlich sind eine genaue Darstellung der Gründe der Fristversäumnis und deren Glaubhaftmachung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist. Die Voraussetzungen der Glaubhaftmachung ergeben sich aus § 23 SGB X. Da für das Verfahren der Wiedereinsetzung der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, hat die Behörde eigene Ermittlungen anzustellen und das Beweisergebnis frei zu würdigen. Eine eidesstattliche Erklärung des Antragstellers kann zur Glaubhaftmachung ausreichen.
Rz. 57
d) Nachholung de...