Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
Rz. 23
Die Beratung von Ehegatten bei ihrer gemeinschaftlichen Errichtung einer Verfügung von Todes wegen kann einen Interessenwiderstreit begründen. In den meisten Fällen werden die Ehegatten bereits eine gemeinsame Entscheidung über die Verteilung von Erbquoten, die Anordnung von Vermächtnissen, über eine mögliche Vor- und Nacherbschaft oder die Testamentsvollstreckung getroffen haben. Insoweit darf auch der Rechtsanwalt von Entscheidungen im gemeinsamen Interesse ausgehen. In vielen Fällen können aber im Rahmen der fachgerechten Beratung und Gestaltung durch den Rechtsanwalt Streitfragen zwischen den Ehegatten auftreten.
Rz. 24
Eine solche Interessenkollision kann in dem Fall vorliegen, in dem sich die Ehegatten über die Änderung einer bereits gemeinschaftlich getroffenen letztwilligen Verfügung beraten lassen. Sofern hier nur einer der Ehegatten auf die Änderung drängt, der andere Ehegatte die frühere Regelung aber für ausreichend hält und sich gegen die Änderung wehrt, liegt der Interessengegensatz offenkundig vor, der den Rechtsanwalt zum Handeln verpflichtet. Weitere häufige Fälle für eine Interessenkollision bei der Beratung und Gestaltung eines Testaments stellen die Wiederverheiratungsklausel, die Wechselbezüglichkeit, die Abänderungsbefugnis, die Erbeinsetzung bzw. Gewährung von Pflichtteilsansprüchen von Abkömmlingen aus einer früheren Ehe oder Partnerschaft eines Ehegatten dar.
Rz. 25
Bei der Beratung und Gestaltung eines Testaments wird dem Rechtsanwalt ein größerer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sollte im Rahmen der Beratung eine Streitfrage zwischen den Ehegatten auftreten, darf der Rechtsanwalt – ohne Partei für einen Mandanten zu ergreifen – die Vor- und Nachteile einer solchen Regelung darstellen. Der Rechtsanwalt kann mit dem nötigen Fingerspitzengefühl bei einer Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Regelung, eine Einigung zwischen den Ehegatten erzielen, sofern sich der Wille und die Gestaltungswünsche des jeweiligen Ehegatten tatsächlich in der einzelnen Regelung widerspiegeln (vgl. § 1 Rdn 79). Andernfalls darf das Mandat nicht angenommen werden oder es ist niederzulegen. Entwirft der Rechtsanwalt den Eheleuten eine Verfügung von Todes wegen, ist es ihm im Anschluss an den Tod des Erstversterbenden verboten, dem anderen Ehegatten Rat darüber zu erteilen, wie er sich von der gemeinsamen Verfügung von Todes wegen wieder lösen kann. Dies sollte im Rahmen einer Auseinandersetzungsklausel bedacht werden.