Rz. 35

Schließlich konkretisiert § 7 Abs. 1 RVG den Abgeltungsbereich nach dem RVG für den Fall, dass der Rechtsanwalt durch mehrere Mandanten beauftragt wurde. Entsprechend § 15 Abs. 2 RVG erhält der Rechtsanwalt, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird, nach § 7 Abs. 1 RVG die Gebühren nur einmal. Auf der Grundlage von Nr. 1008 VV RVG (Mehrvertretungszuschlag)[86] kann aber im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, dass die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr um 0,3 für jeden weiteren Auftraggeber erhöht wird, solange dies einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigt. Mehrere Auftraggeber liegen vor, wenn derselbe Rechtsanwalt für verschiedene natürliche oder juristische Personen auftragsgemäß in derselben Angelegenheit gleichzeitig tätig wird.[87]

 

Rz. 36

Der Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV RVG gilt für die Fälle, in denen der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit wegen desselben Gegenstandes tätig wird. Wird er hingegen für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit, aber wegen unterschiedlicher Gegenstände tätig, werden die Werte mehrerer Gegenstände zusammengerechnet, § 22 Abs. 1 RVG. Bei der Wertaddition muss der Rechtsanwalt bei höheren Gegenstandswerten § 22 Abs. 2 RVG beachten, wonach der Wert in derselben Angelegenheit höchstens 30 Mio. EUR beträgt, soweit durch Gesetz kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen wegen verschiedener Gegenstände Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Mio. EUR, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Mio. EUR.

 

Rz. 37

Im erbrechtlichen Mandat stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob bei mehreren Auftraggebern die anwaltliche Tätigkeit dieselbe Angelegenheit umfasst. Der Rechtsanwalt wird in vielen Fällen mit der Geltendmachung von Ansprüchen mehrerer Mandanten (Eheleuten, Miterben, Vermächtnisnehmern oder mehreren Pflichtteilsberechtigten) beauftragt. Damit der Rechtsanwalt den Mehrvertretungszuschlag geltend machen kann, ist für ihn entscheidend, dass er[88]

mehrere Auftraggeber vertritt und
diese Vertretung in derselben Angelegenheit wegen desselben Gegenstands erfolgt.

Kann der Rechtsanwalt die erste Frage in den meisten Fällen relativ leicht beantworten, muss er bei der zweiten Frage bei der Vertretung mehrerer Mandanten danach unterscheiden, ob eine Gegenstandsgleichheit oder eine Gegenstandsverschiedenheit vorliegt.

[86] Kerscher/Krug/Spanke/Seiler-Schopp, § 5 Rn 34.
[87] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 1008 Rn 36.
[88] Vgl. Kerscher/Krug/Spanke/Seiler-Schopp, § 5 Rn 21.

a) Gegenstandsgleichheit

 

Rz. 38

Eine Gegenstandsgleichheit liegt in den Fällen vor, in denen der Auftraggeber nur notwendigerweise gemeinsam mit anderen etwas verlangen kann oder für etwas einzustehen hat.[89] Eine Gegenstandsgleichheit, die zu einer Erhöhung im Sinne von § 7 RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG führt, liegt im Erbrecht vor,[90]

wenn mehrere in einem Erbschein als Erben benannte Erben sich dagegen zur Wehr setzen, dass der auf sie lautende Erbschein eingezogen werden soll,[91]
wenn eine Erbengemeinschaft beim Nachlassgericht einen einheitlichen Erbschein für diese beantragt,[92]
wenn die Erbengemeinschaft gemeinsam Kostenerstattungsansprüche geltend macht,[93]
wenn sich die Erbengemeinschaft bei der Klage auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung von nur einem Miterben vertreten lässt, da in diesem Fall alle Mitglieder der Erbengemeinschaft Auftraggeber des Rechtsanwalts sind[94] und
wenn der dem Rechtsanwalt vom Erblasser erteilte Auftrag auf eine Erbengemeinschaft übergeht.[95]

Der Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV RVG kann damit gerechtfertigt werden, dass der Rechtsanwalt mit dem Übergang auf die Erbengemeinschaft mehrere Auftraggeber vertritt, auch wenn die Miterben bloß in die Rechtsposition des Erblassers eintreten, ohne dass der Auftrag durch die Erbengemeinschaft neu erteilt wird[96] (zur strittigen Rechtsfrage, ob der Rechtsanwalt den Mehrvertretungszuschlag beim Übergang auf die Erbgemeinschaft verlangen kann[97]).

[89] Kerscher/Krug/Spanke/Seiler-Schopp, § 5 Rn 38.
[90] Vgl. Mayer/Kroiß/Winkler, § 15 RVG Rn 37; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 1008 Rn 52 ff.; Kerscher/Krug/Spanke/Seiler-Schopp, § 5 Rn 38.
[91] LG München I RVGreport 2010, 65.
[92] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 1008 Rn 180.
[93] KG AGS 1996, 73.
[95] Kerscher/Krug/Spanke/Seiler-Schopp, § 5 Rn 238.
[96] Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 7 RVG Rn 15.
[97] Vgl. OLG Brandenburg JurBüro 2007, 524; OLG Düsseldorf JurBüro 1997, 27; OLG Zweibrücken JurBüro 1995, 304; OLG Koblenz MDR 1993, 284; OLG Düsseldorf MDR 1989, 468; OLG Frankfurt AnwBl 1981, 403; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, § 7 RVG Rn 15.

b) Gegenstandsverschiedenheit

 

Rz. 39

Eine Gegenstandsverschiedenheit liegt in den Fällen vor, in denen die einzelnen Gegenstände den Auftraggeber selbst betreffen, weil er die Gegenstände einzeln zu fordern oder zu erfüllen hat.[98] Eine Gegenstandsverschiedenheit kann im Erbrecht vorliegen,[99]

wenn jeder Pflichtteilsberechtigte seinen eigenen Pflichttei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?