Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
Rz. 56
Erfolgt der Abschluss der Vergütungsvereinbarung mit einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB außerhalb der eigenen Kanzleiräume (§ 312b BGB) oder im Wege des Fernabsatzes (§ 312c BGB), hat der Rechtsanwalt das gesetzliche Widerrufsrecht zu berücksichtigen, § 355 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach sind ein Verbraucher und ein Unternehmer an ihre auf den Abschluss eines Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel 14 Tage, sofern der Mandant hinreichend über das gesetzliche Widerrufsrecht belehrt wurde, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB.
Rz. 57
Die Anforderungen der Widerrufsbelehrung regelt § 356 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder des Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB unterrichtet hat. Den Rechtsanwalt treffen daher Informationspflichten, vgl. § 312d BGB. Im weiteren muss der Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular gem. Anlage 2 EGBGB, § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB erhalten. Fehlt es an einer Widerrufsbelehrung, die den o.g. Anforderungen entspricht, wird die Widerrufsfrist verlängert. Nach § 356 Abs. 3 S. 2 BGB erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 356 Abs. 2 BGB oder § 355 Abs. 2 S. 2 BGB genannten Zeitpunkt.
Rz. 58
Das Gesetz definiert die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge sowie den Fernabsatz in § 312b BGB bzw. in § 312c BGB. Fernabsatzverträge sind nach § 312c Abs. 1 BGB Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Rz. 59
Der BGH hat bestätigt, dass auch bei dem Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mandanten ein Fernabsatzvertrag vorliegt. Danach ist ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem bei einem spezialisierten Rechtsanwalt bejaht worden. Ist ein auf ein begrenztes Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt, hier für Hochschul- und Prüfungsrecht, deutschlandweit tätig, vertritt er Mandanten aus allen Bundesländern und erhält er bis zu 200 Neuanfragen für Mandate pro Monat aus ganz Deutschland, kann dies bei einer über die Homepage erfolgenden deutschlandweiten Werbung im Zusammenhang mit dem Inhalt seines Internetauftritts für ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem sprechen. Nur Geschäfte, die unter gelegentlichem, eher zufälligem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, sollen aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzwiderrufs ausscheiden.
Rz. 60
Entsprechend dürften die Anforderungen für das Vorliegen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems auch bei einer Anwaltskanzlei als niedrig anzusehen sein. Letztendlich trägt der Rechtsanwalt, der einen Anwaltsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen hat, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Vertragsschlüsse nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems erfolgen.
Rz. 61
Konnte der Mandant den Vertrag widerrufen, sind die empfangenen Leistungen nach § 357 Abs. 1 BGB spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren. Für den Rechtsanwalt stellt sich bei einem ausgeübten Widerruf die Frage, ob er für die bis dahin erbrachten Tätigkeiten eine Vergütung in der Form von Wertersatz erlangen kann. Häufig ist er dazu gezwungen, sofort nach Vertragsschluss tätig zu werden, da beispielsweise der Fristablauf einer von der gegnerischen Partei festgesetzten Frist droht. Für diesen Fall gewährt § 357a Abs. 2 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen zumindest einen Wertersatz. Um die volle Gebühr abzurechnen, muss der Ablauf der Widerrufsfrist nach ordnungsgemäßer Belehrung abgewartet werden