Dr. Lutz Förster, Dennis Ch. Fast
Rz. 90
Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG wird gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG i.H.v. 0,5 bis 0,75 nach dem in dem Verfahren anzusetzenden Gegenstandswert auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Danach erfolgt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die im gerichtlichen Verfahren zum gleichen Gegenstand entstehende Verfahrensgebühr zur Hälfte, höchstens jedoch mit 0,75.
Rz. 91
Bei einer Betragsrahmengebühr beträgt der Anrechnungsbetrag höchstens 207 EUR. Gemäß dem am 30.7.2009 durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht eingeführten § 15a RVG, mit Inkrafttreten am 5.8.2009, hat der Gesetzgeber Unsicherheiten, die durch die Rechtsprechung des BGH seit dem 7.3.2007 zur Verfahrensweise bei der im Gesetz vorgesehenen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr entstanden waren, beseitigt. Die Vorschrift des § 15a RVG gibt ein Wahlrecht dahingehend, die Hälfte der Geschäftsgebühr im Klagewege geltend zu machen und die volle Verfahrensgebühr im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens festsetzen zu lassen. Dieser Weg ist dann vorteilhaft und ratsam, wenn dem Mandanten für die vorgerichtlich entstandenen Kosten kein materieller Erstattungsanspruch, z.B. aus Verzugsgesichtspunkten, zusteht. Besteht seitens des Mandanten sowohl ein materiell-rechtlicher Ersatzanspruch für die Geschäftsgebühr als auch ein prozessrechtlicher Erstattungsanspruch für die Verfahrensgebühr, hat der Mandant die Möglichkeit, die volle Geschäftsgebühr einzuklagen und die Verfahrensgebühr unter Anrechnung der Geschäftsgebühr festsetzen zu lassen. Weiterhin besteht jedoch auch die Möglichkeit, die halbe Geschäftsgebühr einzuklagen und im Rahmen der Kostenfestsetzung die volle Verfahrensgebühr festsetzen zu lassen. Eine Anrechnung erfolgt dann nicht, wenn die Gebühr in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren entstanden ist bzw. weder ein innerer noch ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Es besteht dann kein innerer Zusammenhang, wenn Gegner und Gegenstand verschieden sind.
Rz. 92
In § 15a RVG ist die Gebührenanrechnung im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber geregelt. Die Vorschrift ist jedoch auch im Verhältnis zu demjenigen anwendbar, der die Vergütung des Rechtsanwalts anstelle des Auftraggebers oder neben dem Auftraggeber schuldet. In Betracht kommen hierbei insbesondere der nach § 1360a BGB zum Prozesskostenvorschuss Verpflichtete oder die Rechtschutzversicherung oder Haftpflichtversicherung des Auftraggebers. Damit bleiben grundsätzlich beide Gebührenansprüche unangetastet, was die weitere Anwendung der Rechtsprechung des BGH ausschließt, infolge der Anrechnung der Geschäftsgebühr entsteht die Verfahrensgebühr von Anfang an in gekürzter Höhe. Der Rechtsanwalt kann somit beide Gebühren, etwa die 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG für die Vertretung im Mahnverfahren und die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG für die Vertretung im Streitverfahren, jeweils in voller Höhe geltend machen. Der Rechtsanwalt kann jedoch von seinem Auftraggeber nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren verlangen.