Rz. 69
Grds. führt das Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt dazu, dass ein berufstypischer (echter) Anwaltsvertrag nach seinem Wesen und Inhalt Pflichten allein zwischen den Vertragspartnern auslöst; nur ausnahmsweise können Dritte in den Vertrag einbezogen sein. Dies kann im Wege der Vertragsauslegung dann angenommen werden, wenn die Vertragserklärungen und das Verhalten der Vertragspartner eindeutige Anhaltspunkte bieten. Die gebotenen strengen Anforderungen sind v.a. dann zu beachten, wenn eine – möglicherweise wegen abschließender Regelung gar nicht vorhandene – Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden soll.
Dies gilt für einen berufstypischen Steuerberater- und Wirtschaftsprüfervertrag entsprechend.
Rz. 70
Die Rechtsprechung, die Gegenläufigkeit der Interessen des Auftraggebers und eines Dritten spreche nicht gegen dessen Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages mit einem Sachkundigen, ist für den echten Anwaltsvertrag mit Rechtsbeistandspflicht (§ 3 BRAO) einzuschränken (vgl. Rdn 9, 36). Es ist allgemein bekannt, dass ein Rechtsanwalt nicht in derselben Rechtssache mehrere Personen mit widerstreitenden Interessen beraten und vertreten darf (§ 356 StGB; §§ 43a Abs. 4, 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e) BRAO mit § 3 der Berufsordnung und Nr. 3.2 der Berufsregeln der Rechtsanwälte der EU – Anlage zu § 29 Abs. 1 der Berufsordnung); deswegen darf ein Dritter regelmäßig nicht erwarten, ein fremder Anwaltsvertrag schütze auch seine Belange. Schließen die entgegengesetzten Belange des Mandanten und des Dritten es aus, dass dem Rechtsanwalt ein übergeordnetes gemeinschaftliches Interesse dieser Person anvertraut wird, darf dem Rechtsanwalt grds. nicht im Wege richterlicher Vertragsauslegung zugemutet werden, in unzulässiger Weise gleichsam mehreren Auftraggebern mit widerstreitenden Interessen dienen zu müssen. Dementsprechend ist dem Anwaltsvertrag eine regelmäßige Schutzwirkung für den Vertragsgegner des Mandanten abgesprochen worden (vgl. Rdn 25).
Dies muss für einen berufstypischen Steuerberater- und Wirtschaftsprüfervertrag entsprechend gelten. Auch ein Steuerberatungsvertrag hat grds. keine Schutzwirkung für Vertragsgläubiger des Mandanten.
Ein Rechtsberatervertrag kann dagegen Schutzwirkung zugunsten eines Dritten haben, wenn ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bei seiner Tätigkeit für den Auftraggeber im Einvernehmen der Vertragspartner seine Sachkunde einsetzt, um – ungeachtet gegenläufiger Interessen des Mandanten und eines Dritten – mit der Beweiskraft seiner Expertise das Vertrauen des Dritten zu erlangen, den der Auftraggeber auf diese Weise zu seinem Vorteil – etwa als Kreditgeber, Käufer oder Kapitalanleger – gewinnen will. In diesem Fall hat der Rechtsberater auftragsgemäß auch Interessen des Dritten zu wahren und deswegen eine auftragsgerechte Unparteilichkeit zu beachten.
Rz. 71
Soweit die – inzwischen aufgehobenen – beraterfreundlichen Verjährungsvorschriften des alten Rechts (§§ 51b, 59m Abs. 2 BRAO a.F., §§ 68, 72 Abs. 1 StBerG a.F., §§ 51a, 56 WPO a.F., 323 Abs. 5 HGB) noch anzuwenden sind (vgl. § 7 Rdn 1), umfassen diese auch einen Schadensersatzanspruch eines Dritten aus einem echten Rechtsberatervertrag mit Schutzwirkung zu seinen Gunsten. Insoweit darf der Dritte nicht besser stehen als der Auftraggeber, von dem er sein Recht ableitet (vgl. Rdn 49).