Rz. 51
Ein Vertrag über die Erstellung und/oder Prüfung eines Jahresabschlusses ist regelmäßig ein Werkvertrag (§§ 631, 675 Abs. 1 BGB). Ob dies auch dann gilt, wenn es sich beim zu erstellenden Jahresabschluss nur um eine Einzelleistung im Rahmen eines Dauermandats handelt, hat der BGH offengelassen. Um eine gekünstelte Aufspaltung einer einheitlichen Geschäftsbesorgung zu vermeiden, ist in diesem Fall von einem Dauervertragsverhältnis mit Dienstvertragscharakter auszugehen.
Rz. 52
Ob ein solcher Prüfvertrag Schutzwirkung für Dritte hat, richtet sich nach denselben Voraussetzungen wie die Einbeziehung von Dritten in den Schutzbereich eines Gutachtenvertrages (vgl. Rdn 36 ff.).
Rz. 53
Einschlägige gerichtliche Entscheidungen betreffen fehlerhafte, von Rechtsberatern erstellte Testate, die ggü. Kreditgebern, Käufern oder Kapitalanlegern verwendet wurden, nämlich
▪ |
eine unrichtige Vermögensaufstellung mit "Bemerkung", erstellt durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft i.V.m. "vorläufigen Jahresabschlüssen"; |
▪ |
einen falschen Zwischenabschluss eines Steuerberaters mit "Schlussbemerkung"; |
▪ |
einen vom Auftraggeber verfälschten Jahresabschluss eines Steuerberaters mit "Vermerk"; |
▪ |
eine fehlerhafte Unternehmensbilanz eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters; |
▪ |
einen Jahresabschluss eines Steuerberaters mit unrichtigem "Bescheinigungsvermerk" bzgl. der Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Buchführung; |
▪ |
die Ankündigung eines falschen Testats durch Wirtschaftsprüfer im Rahmen einer Pflichtprüfung (vgl. Rdn 32); |
▪ |
Prüfberichte eines Wirtschaftsprüfers mit unrichtigem "Bestätigungsvermerk" bzgl. Prospektangaben über Mittelzufluss und -verwendung im Rahmen eines Kapitalanlagemodells (vgl. § 14 Rdn 1 ff.); |
▪ |
Prüfbericht eines Wirtschaftsprüfers über Gewinnprognosen nach § 7 WertpapierprospektG; |
▪ |
einen Jahresabschluss mit falschem uneingeschränktem "Bestätigungsvermerk" eines Wirtschaftsprüfers; |
▪ |
einen Jahresabschluss mit eingeschränktem "Bestätigungsvermerk" eines Steuerberaters; |
▪ |
einen auf falschen Angaben des Auftraggebers beruhenden Jahresabschluss eines Steuerberaters; |
▪ |
einen Jahresabschluss eines Steuerberaters mit eingeschränktem Abschlussvermerk. |
Rz. 54
Der X. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Vertrag einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Prüfung eines Anlageprospekts Schutzwirkung zugunsten der Kapitalanleger haben kann; daran ändert eine mögliche Prospekthaftung (vgl. Rdn 13) nichts.
Der III. Zivilsenat des BGH, der seit 2003 – anstelle des X. Zivilsenats des BGH – für Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Gutachten zuständig ist, hat diese Rechtsprechung fortgeführt. In drei Urteilen vom 14.6.2007 hat er in gleich gelagerten Fällen, in denen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Auftrag einer von der Fondsgesellschaft eingeschalteten Bank den fehlerhaften Anlageprospekt angeblich mangelhaft geprüft hatte, unter Ablehnung einer Prospekthaftung (vgl. § 14 Rdn 1 ff.) angenommen, dass die Kapitalanleger in den Schutzbereich des Prüf- oder Gutachtenvertrages nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter einbezogen sein können. Dazu hat der BGH ausgeführt, ein solcher Schutz setze voraus, dass der Experte ein konkretes Vertrauen des Dritten – nicht nur dessen typisiertes Vertrauen wie i.R.d. Prospekthaftung – in Anspruch genommen habe. Deswegen könne die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Anlegern nur dann aus einer Schutzwirkung des Prüfvertrages haften, wenn diese bei ihrer Anlageentscheidung von dem Prüfbericht(-gutachten) Gebrauch gemacht hatten und hierdurch ein Vertrauen des Anlegers erzeugt und auf seinen Willensentschluss Einfluss genommen wurde. Hierfür genügt die allgemeine Erwägung des Anlegers nicht, der Vertrieb werde das Gutachten zur Kenntnis nehmen und, sofern es den Prospekt nicht für unbedenklich halte, von einer Vermittlung der entsprechenden Anlage absehen. Inzwischen hat der BGH diese Rechtsprechung mehrfach bestätigt.
Rz. 55
Die Dritthaftung von Wirtschaftsprüfern und ihren Gesellschaften als Abschlussprüfern für falsche Testate aus einer Schutzwirkung des Prüfvertrages wurde in jüngerer Zeit vom III. Zivilsenat des BGH – ggü. seinem Urteil vom 2.4.1998 – im Ergebnis stark eingeschränkt.
In seinem Urteil vom 6.4.2006 hat dieser Senat des BGH zwar die grundsätzliche Anwendbarkeit der Regeln der vertraglichen Dritthaftung im Bereich von Pflichtprüfungen (§§ 316 ff. HGB) bestätigt. Er hat nunmehr jedoch betont, dass er die Anwendung dieser Regeln als "restriktiv" verstehe. Zugleich hat er jetzt der gesetzlichen Haftungsregelung des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB – mit Rücksicht auf das Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich – entnommen, dass an die rechtsgeschäftliche Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Prüfvertrages strenge Anforderungen zu stellen seien. Diese A...