Rz. 84
Die Liquidation des Drittschadens betrifft einen bestimmten einheitlichen Schaden, der sich bei dem Vertragsgläubiger ausgewirkt hätte, wenn nicht – aus der Sicht des Schädigers zufällig – ein Dritter Träger des geschützten Rechtsguts wäre. Beim Vertrag mit Schutzwirkung kann eine Pflichtverletzung des Vertragsschuldners i.d.R. einen Schaden sowohl des Vertragsgläubigers als auch eines Dritten, der in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen ist, auslösen.
Anders ist dies in den Ausnahmefällen – etwa beim Anwaltsvertrag des Ausgangsfalles (vgl. Rdn 80) –, in denen die Vertragspartner die drittbezogene Schutzwirkung ihres Vertrages auf die Hauptleistungspflicht des Vertragsschuldners in einer Weise erstrecken, dass zwar allein der Vertragsgläubiger die Erfüllung dieser Pflicht verlangen darf, deren Verletzung aber nur den geschützten Dritten schädigen kann.
Rz. 85
Die Drittschadensliquidation erweitert das Haftungsrisiko des Vertragsschuldners nicht; dieser ist nur einem einzigen Schadensersatzanspruch ausgesetzt. Dagegen muss der Vertragsschuldner bei einem Vertrag mit Schutzwirkung im Regelfall damit rechnen, dass seine Pflichtverletzung zu einem eigenen Schadensersatzanspruch sowohl seines Vertragspartners als auch des geschützten Dritten führt; dementsprechend größer ist die Haftungsgefahr des Vertragsschuldners. Dessen Haftungsrisiko stiege nochmals, wenn in solchen Fällen der Vertragsgläubiger nicht nur Ersatz eines eigenen Schadens, sondern auch – neben dem Dritten selbst – eines Drittschadens selbst dann verlangen dürfte, wenn der Dritte seinen eigenen Schadensersatzanspruch nicht geltend macht oder – etwa wegen Verjährung – nicht durchsetzen kann. Damit rechnet ein Vertragspartner bei Vertragsschluss im Allgemeinen nicht, sodass dann auch nicht im Wege der – notfalls ergänzenden – Vertragsauslegung auf sein Einverständnis geschlossen werden darf. Keine Haftungskumulation tritt grds. in dem Ausnahmefall ein, dass eine Pflichtverletzung des Schuldners bei einem Vertrag mit Schutzwirkung nur den geschützten Dritten schädigen kann; anders wäre dies allerdings im Ergebnis dann, wenn dem Vertragsgläubiger gestattet würde, einen Schadensersatzanspruch des Dritten einzuklagen, den dieser selbst nicht geltend macht oder – etwa wegen Verjährung – nicht durchsetzen kann.
Da der durch einen fremden Vertrag geschützte Dritte einen eigenen unmittelbaren Schadensersatzanspruch gegen den Vertragsschuldner als Schädiger hat, ist er auf eine mittelbare Beteiligung an einem Ersatzanspruch des Vertragsgläubigers und damit auf dessen Unterstützung nicht angewiesen.