Rz. 70
Die Einstellungsbewilligung (Muster siehe Rdn 636) des Gläubigers ist das bekannteste und meist genutzte verfahrensrechtliche Instrument. Sie stoppt den Verfahrensgang, hebt aber die Beschlagnahmewirkung nicht auf. Wiederkehrende Leistungen (Zinsen) laufen weiter. Insofern bleibt der Gläubiger also während der Zeit der Einstellung weiterhin geschützt. Im Zweifel besteht seitens des Gerichts diesbezüglich eine Hinweisverpflichtung. Wegen der besonders einflussreichen Stellung des bestrangig betreibenden Gläubigers, der allein und ohne besondere Form- oder Begründungszwänge jeden Zuschlag ohne Rücksicht auf dessen Höhe verhindern kann, kann aber die Bewilligung der einstweiligen Einstellung als missbräuchliche Rechtsausübung unwirksam sein.
Rz. 71
Die Bewilligung ist ab dem Zeitpunkt des Verfahrensbeginns möglich und kann auch noch nach dem Schluss der Versteigerung bis zur vollständigen Verkündung des Zuschlags bewilligt werden, hat dann allerdings zur Folge, dass der Zuschlag gem. § 33 ZVG zu versagen ist. Sie ist vom betreibenden Gläubiger ohne nähere Begründung schriftlich oder zu Protokoll zu erklären mit dem Inhalt, dass die Verfahrenseinstellung bewilligt wird und/oder Einverständnis mit der Aufhebung des Versteigerungstermins besteht (§ 30 Abs. 2 ZVG). Eine Einstellungsbewilligung, die per Fax oder fernmündlich erklärt wird, wird bei Feststellung der Ernstlichkeit der Erklärung von den Vollstreckungsgerichten anerkannt. Betreibt der Gläubiger das Verfahren aus mehreren Beschlagnahmebeschlüssen, z.B. Anordnungs- und oder mehreren Beitrittsbeschlüssen, so muss erklärt werden, aus welchen Beschlüssen die Einstellung gewünscht wird. Im Zweifel hat das Gericht nachzufragen.
Rz. 72
Das Recht zur Bewilligung der Verfahrenseinstellung hat auch ein ablösungsberechtigter Dritter. Hierunter fällt derjenige, der durch die Zwangsvollstreckung Gefahr läuft, eine grundbuchrechtlich gesicherte dingliche Rechtsposition zu verlieren. Dieser hat nach § 268 BGB jederzeit das Recht, den vorrangigen Gläubiger zu befriedigen. In diesem Fall geht mit der Befriedigung des Gläubigers die Forderung auf den Dritten mit allen Nebenrechten als Rechtsnachfolger auf diesen über (§ 268 Abs. 3 BGB). Bewilligt der Dritte aufgrund der Befriedigung des betreibenden Gläubigers die einstweilige Einstellung, kann diese allerdings nur erfolgen, wenn die Ablösung gegenüber dem Vollstreckungsgericht nachgewiesen wird. Ein Verstoß kann zur Zuschlagsversagung führen. Eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den Ablösenden ist dabei nicht erforderlich.
Zu beachten ist, dass eine Zuschlagsversagung, die wie eine Einstellungsbewilligung wirkt, bei den maximal zwei möglichen Einstellungsbewilligungen gem. § 30 Abs. 1 ZVG mitzählt. Die Möglichkeit der Einstellung endet erst mit der vollständigen Verkündung des Zuschlagsbeschlusses. Erst dann ist das Objekt der Zwangsversteigerung nach §§ 87, 89 f. ZVG der Disposition des betreibenden Gläubigers im Interesse einer eindeutigen dinglichen Zuordnung entzogen.
Rz. 73
Betreibt ein Gläubiger die Zwangsversteigerung bezüglich mehrerer Grundstücke, so besteht die Möglichkeit, die einstweilige Einstellung nur auf eines von mehreren zu versteigernden Grundstücken zu beziehen (Teileinstellung). Eine solche Verfahrensweise ist dann sinnvoll, wenn sich eine außergerichtliche Verwertung eines einzelnen Grundstückes anbietet, die einen höheren Erfolg verspricht als eine Versteigerung. Wenn allerdings der Gläubiger ohne ernsthafte Versteigerungsabsicht über einen längeren Zeitraum (hier: zwei Jahre) aus mehreren Beitrittsbeschlüssen die Zwangsversteigerung betreibt, um einen permanenten Zahlungsdruck auf den Schuldner auszuüben, handelt er rechtsmissbräuchlich. Ist ein solch rechtsmissbräuchliches Verhalten feststellbar, führt eine dritte Einstellungsbewilligung in einem Einzelverfahren dann auch zur Aufhebung aller Einzelverfahren.
Rz. 74
Beispiel
Der Gläubiger A betreibt erstrangig aus einer Grundschuld von 130.000,00 EUR die Zwangsversteigerung. Versteigert werden sollen ein Grundstück, welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, und eine Eigentumswohnung. Die Grundschuld lastet als Gesamtrecht auf beiden Versteigerungsobjekten. Nunmehr erklärt der Verwalter der Wohnungseigentumsanlage, er werde sich um einen freihändigen Verkauf bemühen, da die Eigentümergemeinschaft Einfluss auf die Person des Erwerbers nehmen will. Dies kann sie nicht, wenn die Wohnung versteigert wird. Um abzuwarten, ob eventuell eine höhere Befriedigung durch den zu erwartenden freihändigen Verkauf zu erwarten ist, wäre es nunmehr möglich, nur hinsichtlich der Eigentumswohnung die einstweilige Einstellung zu bewilligen.