Rz. 199
Nach § 44 Abs. 1 ZVG sind Rechte aus Abteilung II und III des Grundbuchs in das geringste Gebot aufzunehmen, wenn sie dem Anspruch des (bestrangig betreibenden) Gläubigers vorgehen. Nachrangige Rechte sind somit nicht in das geringste Gebot aufzunehmen. Sie bleiben daher nicht bestehen (§ 52 Abs. 1 ZVG), sondern erlöschen gem. § 91 Abs. 1 ZVG durch Zuschlag. Sie sind aber gem. § 114 ZVG im Rahmen der Erlösverteilung zu berücksichtigen.
Rz. 200
Welches Recht dem Anspruch des betreibenden Gläubigers i.S.v. § 44 Abs. 1 ZVG vorgeht und folglich im geringsten Gebot Berücksichtigung finden muss, richtet sich nach §§ 10–12 ZVG und dem darin enthaltenen Rangklassensystem. § 10 ZVG regelt die Rangordnung der ein Recht auf Befriedigung aus einem Grundstück gewährenden Ansprüche grundsätzlich abschließend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Rangvorrecht an anderer Stelle ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.
Rz. 201
Aus diesem Grundsatz ist ersichtlich, dass ein dinglicher Gläubiger, der dem Recht eines anderen dinglichen (bestrangig) betreibenden Gläubigers vorgeht, die Höhe des geringsten Gebots dadurch beeinflussen kann, dass dieser dem Verfahren einfach beitritt. In diesem Fall ist nämlich sein Anspruch dem geringsten Gebot zugrunde zu legen. Es fällt dann niedriger aus, so dass eventuelle zunächst Nichtinteressierte nunmehr bereit sind, doch noch Gebote abzugeben.
Das Recht auf eine der in den §§ 912–917 des BGB bezeichneten Renten bleibt auch dann bestehen, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist. Dies gilt auch (vgl. § 52 Abs. 2 S. 2 ZVG) bei
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einem Erbbauzins, wenn nach § 9 Abs. 3 der Verordnung über das Erbbaurecht das Bestehenbleiben des Erbbauzinses als Inhalt der Reallast vereinbart worden ist; |
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Grunddienstbarkeiten und beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten, die auf dem Grundstück als Ganzem lasten, wenn in ein Wohnungseigentum mit dem Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG vollstreckt wird und diesen kein anderes Recht der Rangklasse 4 vorgeht, aus dem die Versteigerung betrieben werden kann. |
§ 52 Abs. 2 S. 2 Buchst. b ZVG sieht für Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die auf dem Grundstück als Ganzem lasten, vor, dass sie entsprechend § 52 Abs. 2 S. 1 ZVG auch ohne Berücksichtigung im geringsten Gebot bestehen bleiben, wenn aus dem Vorrecht der Rangklasse 2 vollstreckt wird. Das Bestehenbleiben wird jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen diesen Rechten kein Recht der Rangklasse 4 vorgeht, aus dem die Versteigerung betrieben werden kann. Ansonsten würde den Dienstbarkeiten durch das Bestehenbleiben faktisch generell ein Vorrang vor anderen in der Abteilung II oder III des Grundbuchs eingetragenen Rechten eingeräumt. Diesen Vorrang hätten sich die Berechtigten der Dienstbarkeiten – wie bisher – durch Rangänderungen verschaffen können mit der Folge, dass sie nach der neuen Regelung nicht erlöschen müssten. Soweit sie nicht auf eine erstrangige Eintragung hingewirkt haben, so haben sie schon bisher in Kauf genommen, im Zwangsversteigerungsverfahren – bei Betreiben aus einem vorrangigen Recht – zu erlöschen.
Die vorrangigen Rechte der Rangklasse 3 spielen praktisch keine Rolle. Sie sind ohnehin in nahezu allen Fällen – auch bei bestehen bleibenden Dienstbarkeiten – durch das Meistgebot vollständig gedeckt. Im Übrigen beeinflussen die Dienstbarkeiten am Grundstück als Ganzem in der Regel kaum die Biethöhe, da sie in nahezu allen Fällen keinen wertbeeinflussenden Faktor für die einzelne Eigentumswohnung selbst haben.