Rz. 456
Neben den nach den allgemeinen Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechten sind hier auch solche aufzuführen, welche durch abweichende Versteigerungsbedingungen als bestehen bleibend vereinbart wurden (sog. Liegenbelassungsvereinbarung; §§ 113 Abs. 2, 91 Abs. 2 ZVG). Hiernach kann vereinbart werden, dass ein an sich durch den Zuschlag erloschenes, dem bestrangig betreibenden Gläubiger nachrangiges Recht bestehen bleiben soll. Eine solche Vereinbarung zwischen dem Berechtigten und dem Ersteher ist hinsichtlich jedes dinglichen Rechts möglich.
Rz. 457
Abzugeben ist eine solche Erklärung im Verteilungstermin zu Protokoll, oder aber schriftlich bis zum Verteilungstermin einzureichen (Muster einer Liegenbelassungsvereinbarung siehe Rdn 653). Unbedingt zu prüfen ist in diesem Zusammenhang durch das Vollstreckungsgericht die wahre Verfügungsbefugnis. Dies kann bei Rechten, die außerhalb des Grundbuchs übertragen werden können, wie z.B. bei Briefgrundpfandrechten, zu Problemen führen. Diese werden nämlich durch Briefübergabe übertragen. Somit muss vom Gericht die Briefvorlage verlangt werden. Zu einer solchen Vereinbarung berechtigt ist auch ein Pfandgläubiger, aber nur insoweit, als ihm das Recht an Zahlung statt überwiesen wurde. Eine Überweisung zur Einziehung reicht nicht aus, da eine solche bewirkt, dass der alte Gläubiger Berechtigter bleibt.
Rz. 458
Hinweis
Praktisch und kostengünstig ist eine solche Vereinbarung für den Ersteher dann, wenn das liegenbelassene Recht zur späteren Finanzierung des ersteigerten Grundstücks verwendet werden kann. Denn es fallen keine Notar- und Grundbuchkosten für eine Eintragung an.
Rz. 459
Eine solche Vereinbarung wirkt auf den Zuschlag zurück. Dies bedeutet, dass das Recht so zu behandeln ist, als wenn es als Teil des geringsten Gebots bestehen bleiben würde. Eine solche Vereinbarung wirkt sich zudem nach § 91 Abs. 3 ZVG auf das zu zahlende Meistgebot aus. Hierbei ist vom Bargebot auszugehen, wobei die Verzinsungspflicht des gesamten, nicht verminderten Bargebots bestehen bleibt. Der bar zu zahlende Teil mindert sich um den Betrag, welcher sonst dem Berechtigten zustehen würde (§ 91 Abs. 3 S. 1 ZVG), d.h. um das Kapital, Zinsen und Nebenleistungen. Dies setzt also stets voraus, dass der Berechtigte auch tatsächlich nach dem Plan eine Zuteilung erhalten würde.
Rz. 460
Der Ersteher muss wegen des Bestehenbleibens des Rechts die Zinsen ab dem Tag des Zuschlags an die Gläubiger außerhalb des Verteilungsverfahrens zahlen (§ 56 ZVG). Für die Zeit nach dem Zuschlag gilt der Gläubiger nach § 91 Abs. 3 S. 2 ZVG als befriedigt. Angemeldete laufende und rückständige Zinsen des Rechts einschließlich der Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung müssen jedoch nach wie vor aus dem Versteigerungserlös gedeckt werden. Somit dürfen vorrangige und nachrangige Berechtigte in ihren Rechten durch eine getroffene Vereinbarung nicht berührt werden.
Rz. 461
Äußerst gefährlich für einen Gläubiger ist eine getroffene Liegenbelassungsvereinbarung dann, wenn das Recht durch das Bargebot nur teilweise gedeckt ist. In diesem Falle tritt nämlich nur eine teilweise Minderung des durch den Ersteher zu zahlenden baren Meistgebots ein. Allerdings tritt die Befriedigungsfiktion des § 91 Abs. 3 S. 2 ZVG in voller Höhe ein. Die Folge ist, dass ein Gläubiger somit unter Umständen seine persönliche Forderung gegen den Schuldner ganz verliert, ohne dass er eine Zuteilung aus dem Versteigerungserlös erhalten hat.