Rz. 310
Nur ein wirksames Gebot darf vom Vollstreckungsgericht zugelassen werden. Wirksam ist es, wenn es im Versteigerungstermin zu den Versteigerungsbedingungen abgegeben ist und wenn es als erstes mindestens die Höhe des geringsten Gebots hat, später, wenn es ein schon wirksames Gebot überschreitet (Übergebot § 72 Abs. 1 ZVG), ihm für den Fall, dass es das letzte bleibt und kein Versagungsgrund besteht, der Zuschlag erteilt werden kann (§ 71 ZVG). Diese Voraussetzungen sind unmittelbar nach Abgabe des Gebotes durch das Vollstreckungsgericht zu prüfen.
Rz. 311
Liegen die Voraussetzungen zur Wirksamkeit nicht vor, z.B. wegen fehlender nachgewiesener Vertretungsmacht, Abgabe unter einer Bedingung oder Befristung, fehlender familiengerichtlicher Genehmigung, Rechtsmissbräuchlichkeit bzw. Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB so hat eine sofortige ausdrückliche Zurückweisung zu erfolgen (§ 71 Abs. 1 ZVG). Auch dann, wenn dies versehentlich nicht geschieht, wird ein einmal unwirksames Gebot nicht wirksam. Die Unwirksamkeit wird dann vielmehr durch Versagung des Zuschlags dokumentiert.
Gleiches gilt für Gebote, die unter der Hälfte des Grundstückswerts liegen. Diese sind allerdings nicht allein aus diesem Grund unwirksam. Sie können also nicht nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen werden. Auf solche in dem ersten Verhandlungstermin abgegebenen Gebote kann jedoch der Zuschlag nicht erteilt werden; er ist zwingend zu versagen (§ 85a Abs. 1 ZVG). Erst wenn in einem weiteren Versteigerungstermin ein unter dem Mindestgebot nach § 85a Abs. 1 ZVG liegendes Meistgebot abgegeben wird, kann der Zuschlag nicht erneut allein deshalb versagt werden, weil das Gebot nicht die Hälfte des Grundstückswerts erreicht (§ 85a Abs. 2 S. 2 ZVG). Ein unter dem Mindestgebot liegendes Gebot ist auch nicht unwirksam, wenn es der an dem Erwerb des Grundstücks interessierte Bieter in der ausschließlichen Absicht abgibt, einen weiteren Versteigerungstermin zu erreichen, um dann den Zuschlag auf sein weiter unter dem Mindestgebot liegendes Gebot zu erhalten. Ein Bieter, der ein wirksames Gebot abgibt, ist nicht verpflichtet, sein Interesse an einem möglichst preiswerten Erwerb des Grundstücks hinter das gegenteilige Interesse des Schuldners zurücktreten zu lassen. Das allein zur Herbeiführung der Versagung des Zuschlags und eines weiteren Versteigerungstermins abgegebene Gebot eines an dem Erwerb des Grundstücks interessierten Bieters ist kein Scheingebot. Der Bieter gibt ein wirksames Gebot ab, um die gewünschte Rechtsfolge zu erreichen. Die Anwendung der §§ 116 ff. BGB scheidet deshalb von vornherein aus. Schließlich ist die Abgabe eines solchen auf den Erwerb des Grundstücks gerichteten Gebots auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Bieter nimmt lediglich die von dem Gesetz (§ 85a Abs. 1 und 2 ZVG) eröffnete Möglichkeit wahr, das Grundstück nach einer Versagung des Zuschlags in einem weiteren Versteigerungstermin für weniger als die Hälfte des Grundstückswerts ersteigern zu können.
Rz. 312
Das gilt jedoch nicht, wenn der Terminsvertreter eines Beteiligten als Bieter von vornherein nicht an dem Erwerb des Grundstücks interessiert ist. In diesem Fall ist sein (Eigen-)Gebot unwirksam. Es liegt ein von vornherein unwirksames Gebot vor. Hierauf kann der Zuschlag weder erteilt noch versagt werden. Solche Gebote sind vielmehr nach § 71 Abs. 1 ZVG zurückzuweisen. Insofern muss das Gericht aufklären, ob das von dem Terminsvertreter der Beteiligten abgegebene Gebot auf den Erwerb des Grundstücks oder in Wahrheit – ohne Erwerbswillen – nur darauf gerichtet war, die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen, um dem anderen Beteiligten oder einem anderen Interessenten den Erwerb des Grundstücks für weniger als die Hälfte des Grundstückswerts zu ermöglichen.
Die Entscheidung des BGH ist in der Literatur – zu Recht – kritisiert worden. In der Konsequenz hat sie nämlich zur Folge, dass der Gläubigervertreter im Falle eines privaten Eigengebots ohne Rechtsgrund und daher zu Unrecht anders behandelt wird, als ein dritter Bieter, welcher dasselbe Ziel verfolgt. Die geforderte Überprüfung der Erwerbsabsicht ist zudem realitätsfern und führt in der Praxis zu erheblichen Verzögerungen durch vermehrte Unwirksamkeitseinwände.
Mit seiner Begründung über den Begriff des Gebotes löst der BGH allerdings die Problematik des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens eines bietenden Gläubigers jedenfalls für die Situation, dass dessen Gebot unter seiner eigenen Forderung liegt: Dann wird in der Regel kein echtes Zuschlagsinteresse bestehen.
Rz. 313
Hinweis
Rechtsmissbräuchliches Handeln ist nach der BGH-Auffassung allerdings nicht auf einen Gläubigervertreter beschränkt. Auch Dritte, die allein das Ziel verfolgen, mit ihrem Gebot die zum Schutze des Schuldners bestehenden Regelungen auszuhebeln, handeln rechtsmissbräuchlich. In diesem Fall muss aber das zu missbilligende Verhalten positiv festgestellt werden. Es muss daher ein Nach...