A. Einleitung
Rz. 1
Die Zwangsversteigerung als Teil der Immobiliarvollstreckung ist eine Spezialmaterie. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit diesem durchaus komplexen Spezialgebiet zu beschäftigen. Denn unterschiedliche Rechtsgebiete prallen hierbei aufeinander: Neben dem allgemeinen Vollstreckungsrecht müssen unter anderem die komplexen Regelungen des Zwangsversteigerungsgesetzes, Grundbuch-Erbrechts etc. beherrscht werden.
B. Rechtliche Grundlagen
I. Zwangsversteigerung wegen eines titulierten Geldanspruchs
1. Allgemeines
Rz. 2
Die Zwangsversteigerung im klassischen Sinn des schuldnerischen Grundstücks, geregelt im Zwangsversteigerungsgesetz (vgl. § 869 ZPO), ist in ihrer Wirkung die schwerwiegendste Form des Zugriffs eines Gläubigers im Rahmen der Immobiliarvollstreckung, da hierbei der Schuldner sein Grundeigentum verliert. Das Verfahren hat zum Ziel, dass sich der Gläubiger hinsichtlich seiner Geldforderung aus dem Grundstückserlös befriedigen kann. Das Grundstück des Schuldners wird somit zerschlagen. Hinsichtlich der Gegenstände, die zur Zwangsversteigerung gebracht werden können, kann auf die Ausführungen zur Zwangssicherungshypothek in § 9 Rdn 10 ff. verwiesen werden.
2. Arten der Zwangsversteigerung
a) Forderungsversteigerung als echte Zwangsversteigerung
Rz. 3
Dem klassischen Zwangsversteigerungsverfahren liegt ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis aufgrund einer titulierten Forderung zugrunde. Hierbei spricht man von einer sog. "echten Zwangsversteigerung". Diese ist in den §§ 1–145 ZVG geregelt. Ausschlaggebend für einen Gläubiger, ein solches Verfahren zu beantragen, ist in der Regel die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.
b) Teilungsversteigerung als unechte Zwangsversteigerung
Rz. 4
Im Gegensatz zu der klassischen Zwangsversteigerung, bei der die finanzielle Notlage des Schuldners für einen Gläubiger ausschlaggebend ist, das Verfahren wegen seines titulierten Geldanspruchs zu beantragen, geht es bei der so genannten Teilungsversteigerung bzw. unechten Versteigerung nicht um die Vollstreckung und Durchsetzung eines solchen monetären Anspruchs. Vielmehr besteht ihr Ziel darin, dass die Aufhebung einer Eigentümergemeinschaft, die an Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten, Schiffen oder Luftfahrzeugen bestehen kann, erfolgt. Ursache eines solchen Verfahrens ist also nicht die Zahlungsunfähigkeit, sondern regelmäßig die Zerstrittenheit der Miteigentümer.
Rz. 5
Bei dieser Versteigerungsart gibt es daher kein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis. Diese Tatsache bedingt eine Anzahl von Abweichungen gegenüber der Forderungsversteigerung, sie werden im 2. Teil (siehe Rdn 519 ff.) erläutert.
3. Wichtige Grundbegriffe des Versteigerungsverfahrens
Rz. 6
Bei der Zwangsversteigerung spielen ständig wiederkehrende Fachbegriffe eine wichtige Rolle. Im Folgenden werden daher zunächst die wichtigsten Begriffsbestimmungen erläutert.
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Absolutes Mindestgebot Aus Schuldnerschutzgründen muss nach § 85a ZVG der Zuschlag auf ein im Versteigerungstermin abgegebenes Gebot von Amts wegen versagt werden, wenn dieses Gebot einschließlich der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte 5/10 des nach § 74a ZVG festgesetzten Verkehrswertes nicht erreicht. Dies kann im Laufe des Verfahrens nur einmal geschehen. |
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Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot Hat der Meistbietende das Recht aus dem Meistgebot an einen anderen abgetreten und dieser die Verpflichtung aus dem Meistgebot – ausdrücklich – übernommen, so ist, wenn die Erklärungen im Versteigerungstermin abgegeben oder nachträglich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wurden, der Zuschlag nicht dem Meistbietenden, sondern dem anderen zu erteilen. Zu beachten ist, dass bei einer Abtretung zweimal die Grunderwerbsteuer fällig wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 5 GrEStG). |
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Beteiligte Der Beteiligtenbegriff wird in § 9 ZVG definiert. Danach sind:
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diejenigen beteiligt, für welche zur Zeit der Eintragung des Vollstreckungsvermerks ein Recht im Grundbuch eingetragen oder durch Eintragung gesichert ist z.B. Grundschuld, Hypothek, Rentenschuld, Wohnrecht, Vormerkung etc. (Beteiligte von Amts wegen). |
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diejenigen beteiligt, welche ein der Zwangsvollstreckung entgegenstehendes Recht, ein Recht am Grundstück oder an einem das Grundstück belastenden Recht, bei dem Vollstreckungsgericht anmelden und glaubhaft machen (Beteiligte aufgrund Anmeldung). Diese müssen ihre Rechte zum Verfahren anmelden. Die Anmeldung kann formlos und bis zum Schluss des Versteigerungsverfahrens erfolgen, allerdings mit der Gefahr eines Rangverlustes (§§ 37 Nr. 4, 110 ZVG). |
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Ausbietungsgarantie Hierunter versteht man ein notariell beurkundetes (§ 313 BGB) Versprechen eines Bieters gegenüber dem betreibenden Gläubiger, im Versteigerungstermin ein Gebot in bestimmter Mindesthöhe abzugeben. |
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Bargebot Das geringste Gebot setzt sich zusammen aus dem Bargebot und den bestehen bleibenden Rechten. Vom Ersteher sind bar zu zahlen, die Verfahrenskosten, die Auslagen des betreibenden Gläubigers in der Zwangsverwaltung für die Erhaltung des Grundstücks, Hausgeldansprüche von Wohnungseigentümern, die Feststellungskosten zur Insolvenzmasse bzgl. beweglicher Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, sowie die öffentlichen Lasten des Grundstücks (§ 10 Abs. 1 Nr. 1–3 ZVG). Soweit es sich um ... |