Dr. iur. Holger Bremenkamp
Rz. 39
Der Krankenhausträger hat eine sachgerechte Organisation der Arbeitsabläufe im Krankenhaus sicherzustellen, um voraussehbare Gefahren vom Patienten abzuhalten. Mit dem Betrieb des Krankenhauses eröffnet sein Träger potenzielle Gefahrenquellen, die seinem Herrschafts- und Organisationsbereich entstammen und für die er deshalb einstehen muss. Mit der Aufnahme des Patienten wird der Krankenhausträger zum Garanten für den Schutz des Patienten vor Gefahren, die gerade vom Krankenhausbetrieb ausgehen, insbesondere von der Behandlung und Pflege. Diese Organisationspflichten finden ihre Grundlage im allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsatz des "neminem laedere" und sind daher von einer vertraglichen Beziehung zwischen Krankenhausträger und Patienten unabhängig.
Rz. 40
Es geht einmal um organisatorische Vorkehrungen gegen Unfälle oder Selbstschädigungen der Patienten im Krankenhausbereich. Weiter ist die Einhaltung sachlicher Qualitätsstandards sicherzustellen, die die erforderliche Hygiene, die Funktionstüchtigkeit der notwendigen technischen Apparate sowie die Bereithaltung der notwendigen Medikamente umfasst. Auch muss der Träger dafür Sorge tragen, dass das Krankenhaus über eine angemessene Ausstattung an qualifiziertem ärztlichen und nicht ärztlichen Personal verfügt, dessen Einsatz sachgerecht organisiert und kontrolliert wird, das nicht überlastet ist und dessen Dienstzeiten so eingeteilt sind, dass die ärztliche und pflegerische Leistung nicht durch Übermüdung beeinträchtigt wird. Zusätzlich bedarf es der Kontrolle, ob die getroffenen Anweisungen eingehalten werden, ob sie wirksam sind oder ob Verbesserungen vorgenommen werden müssen. Da stets eine Behandlung auf Facharztniveau zu gewährleisten ist, muss für jede Behandlungsphase im Krankenhaus ein entsprechend qualifizierter Arzt bereitstehen, der die erforderlichen Anweisungen gibt oder ihre Befolgung überwacht; so darf bei Unterversorgung der Klinik mit Anästhesisten keine Parallelnarkose durchgeführt werden. Bei knappen medizinischen Ressourcen im Pandemiefall ergeben sich besondere Verteilungsprobleme, die eine gesetzliche Lösung erforderlich machen dürften.
Rz. 41
Neben dem Krankenhausträger als dem Gesamt-Organisationsträger ist auch der Chefarzt als Leiter der jeweiligen Krankenhausabteilung organisationspflichtig. Ihm obliegt insbesondere die Überwachung des nachgeordneten ärztlichen Dienstes. Bei Auswahl und Einsatz der Mitarbeiter muss er auf deren Qualität achten, sie über typische Fehler und Gefahren belehren sowie für ihre Fortbildung Sorge tragen. Die Assistenzärzte sind nicht nur allgemein durch regelmäßige Visiten zu überwachen, sondern auch durch gezielte Kontrollen durch den Chefarzt selbst oder durch seinen Oberarzt, wobei die Überwachung einer Ärztin in Weiterbildung auch vom angrenzenden Monitorraum aus erfolgen kann. Auch muss gewährleistet sein, dass das Pflegepersonal seine Kompetenzen nicht überschreitet und allein dem Arzt zukommende Aufgaben übernimmt; sind aus ärztlicher Sicht über die Grundpflege hinausgehende Pflegemaßnahmen erforderlich, ist die fachgerechte Einweisung des Pflegepersonals und dessen Überwachung sicherzustellen. Die deliktische Haftung für die mit der Erfüllung der Organisationspflichten betrauten leitenden Ärzte trifft gem. § 31 BGB wiederum den Krankenhausträger. Daneben kann aber auch der leitende Arzt haften, soweit ihn nämlich eine Organisationspflicht auch persönlich trifft; an eine persönliche Haftung zu denken wäre etwa bei der Übertragung eines schwierigen Eingriffs auf einen Anfänger ohne fachärztliche Assistenz.
Rz. 42
Auch im Nachtdienst sowie an Sonn- und Feiertagen muss sichergestellt sein, dass jederzeit ein ausreichend qualifizierter Arzt zur Behandlung zur Verfügung steht. Der fachärztliche Standard ist durch entsprechende Einsatzpläne und Vertreterregelungen zu sichern. Es genügt auch ein Hintergrunddienst, der gewährleistet, dass ein Facharzt bei Bedarf unverzüglich erscheinen kann. Auch erkennt die Rechtsprechung durchaus an, dass die Standards für die personellen, räumlichen und apparativen Behandlungsbedingungen je nach Krankenhausart (Universitätsklinik; Spezialklinik; Stadt- oder Landkrankenhaus) differieren. Für Not- und Eilfälle muss grundsätzlich auch im Nachtdienst eine dem fachärztlichen Standard entsprechende Behandlung gewährleistet sein und müssen beispielsweise besondere Anweisungen zur ärztlichen Erstversorgung von Unfallopfern bestehen; ein Notfallpatient muss die personellen und technischen Voraussetzungen des aufnehmenden Krankenhauses freilich hinnehmen, wie sie sind.