Rz. 37
Die Darlegungs- und Beweislast für den anspruchsbegründenden Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und der schuldhaften Verletzung einer vertraglichen Beratungs-, Aufklärungs- oder Auskunftspflicht (haftungsausfüllende Kausalität) wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht einheitlich festgelegt.
Insoweit ist für einen Schadensersatzanspruch die sich aus § 249 Abs. 1 BGB ergebende Frage zu beantworten, was geschehen wäre, wenn der Vertragspartner sich vertragsgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage des Anspruchstellers dann wäre.
Rz. 38
Grds. hat nach der Rechtsprechung des BGH der Schädiger zu beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Beratung, Aufklärung und Auskunft entstanden wäre, weil der Geschädigte sich nicht "beratungs-, aufklärungs-, auskunftsgerecht" verhalten hätte.
Abweichend von dieser Rechtsprechung legt der – für Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung zuständige – IX. Zivilsenat des BGH die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine schuldhafte Verletzung einer Beratungs-, Aufklärungs- oder Auskunftspflicht eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters aus einem berufstypischen Vertrag den geltend gemachten Schaden verursacht hat, dem Geschädigten – auch im Fall einer groben Pflichtverletzung – auf; diese Last wird durch Anwendung des § 287 ZPO und der Regeln über den Beweis des ersten Anscheins erleichtert (vgl. § 5 Rdn 6 ff., 21). Mit Beschluss vom 15.5.2014 hat dieser Senat darauf hingewiesen, dass er weiterhin an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält und keine Veranlassung besteht, die anderslautenden Rechtsätze zum aufklärungsrichtigen Verhalten bei der Anlageberaterhaftung zu übernehmen. Nur die Grundsätze des Anscheinsbeweises gewährleisten eine angemessene Risikoverteilung zwischen rechtlichem Berater und Mandanten.
Rz. 39
Bei fehlerhafter Anlageberatung und -vermittlung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Verletzung der Beratungs- oder Auskunfts-(Aufklärungs-)pflicht für eine (nachteilige) Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Hypothetische Handlungsvarianten des geschädigten Anlegers können diese Vermutung grds. nicht entkräften, es sei denn, dass es sich um ein von vornherein spekulatives Geschäft handelt. Dieser Grundsatz gilt regelmäßig auch dann, wenn ein Anleger zu einer dauerhaften Vermögensanlage mit der Aussicht auf erhebliche Steuervorteile geworben wurde. Der Schädiger kann die Vermutung "entkräften" bzw. "widerlegen". Sie ist "erschüttert", wenn einem Anleger ein Prospektmangel bei seiner Anlageentscheidung bekannt ist oder der Prospektfehler für die Werthaltigkeit des Anlageobjekts objektiv keine Bedeutung hat.
Die "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt grds. für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters, auch für die unterbliebene Aufklärung über Rückvergütungen an die beratende Bank. Erwirbt der Anleger neben einer solchen Anlage auch Produkte, für die keine Rückvergütung an die Bank geleistet wurde, gilt insoweit die genannte Vermutung nicht, sodass der Anleger darlegen und beweisen muss, dass er bei vertragsgerechter Aufklärung die gesamte Geschäftsverbindung mit der Bank abgebrochen und diese Produkte nicht erworben hätte.
Steht es fest, dass eine Bank ihre Aufklärungspflicht aus einem Beratungsvertrag verletzt hat, so folgt aus der "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" nach Ansicht des XI. Zivilsenats des BGH, dass die Bank beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Dagegen hat es der III. Zivilsenat des BGH im vergleichbaren Fall der Verletzung einer Aufklärungspflicht durch einen Anlagevermittler offengelassen, ob eine solche Vermutung nur zu einer erleichterten Beweisführung oder zu einer Umkehr der Beweislast zulasten des Schädigers führt.