Michael Brunner, Ivana Bugarin
Rz. 76
Das Vorverfahren ist der faktische Urkundenprozess.
Liegen die Voraussetzungen des § 592 ZPO vor, ist mit Zustellung der Klageschrift gem. § 593 ZPO an den Beklagten das Vorverfahren rechtshängig.
Rz. 77
Die Besonderheit des Urkundenprozesses besteht darin, dass in dem Vorverfahren des Urkundenprozesses die Widerklage ausgeschlossen und die Beweisaufnahme, anders als im ordentlichen Verfahren, erheblich eingeschränkt ist.
1. Widerklage
Rz. 78
Die Widerklage in einem Urkundenprozess ist gem. § 595 Abs. 1 ZPO nicht statthaft.
Beispiel:
Der Beklagte ist im Besitz einer Urkunde, in der eine Forderung auf Zahlung einer Geldsumme gegen den Kläger dokumentiert ist.
Der Beklagte wird, auch wenn es sich um eine Urkunde handelt, im Wege der Widerklage in dem von dem Kläger rechtshängigen Verfahren im Urkundenprozess keinen Erfolg haben.
Seine Widerklage würde als unstatthaft im Urkundenprozess abgewiesen werden.
Rz. 79
Praxistipp:
Der Widerkläger könnte vor einer Abweisung seiner Widerklage Prozesstrennung gem. § 145 Abs. 2 ZPO beantragen.
2. Beweismittel
Rz. 80
Vielleicht kennen Sie noch den Kurzbegriff "SAPUZA", den Sie sich während der Ausbildung eingeprägt haben. Diese "Eselsbrücke" stellt die sechs möglichen Beweismittel in einem ordentlichen Verfahren dar.
Rz. 81
S |
= Sachverständigengutachten |
A |
= Augenscheinseinnahme |
P |
= Parteivernehmung |
U |
= Urkundsbeweis |
Z |
= Zeugenvernehmung |
A |
= amtliche Auskunft |
Rz. 82
Im Vorverfahren des Urkundenprozesses reduziert sich "SAPUZA" auf "UP". Dort sind als Beweismittel lediglich Urkunden und auf Antrag Parteivernehmung zulässig (§ 595 Abs. 2 ZPO).
Es findet somit kein Beweis durch
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Zeugenvernehmung, |
▪ |
Augenscheineinnahme, |
▪ |
Sachverständigengutachten |
▪ |
amtliche Auskunft |
statt.
Rz. 83
Als Beweismittel im Vorverfahren sind gem. § 595 Abs. 2 und 3 ZPO ausschließlich zulässig:
▪ |
wegen der Echtheit oder Unechtheit der Urkunde nur Urkunden; |
Rz. 84
Beispiel 1:
Der Kläger legt in dem Urkundenprozess ein eigenhändiges Testament des Erblassers vor, aus dem er Zahlungsansprüche gegen B herleiten möchte. B zweifelt die Echtheit des Testamentes an. Beweis könnte er nur damit führen, indem er eine Urkunde vorlegt (z.B. ein öffentliches Testament neueren Datums). Er hätte keinen Erfolg mit dem Antrag, einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Echtheit des Testaments zu beauftragen.
▪ |
wegen des in § 592 ZPO aufgeführten Tatsachenvortrags nur Urkunden. |
Rz. 85
Beispiel 2:
Der Kläger erhebt Klage im Urkundenprozess und macht Zahlungsansprüche aus einem Mietvertrag geltend. Hier muss der Kläger zum Beweis die Urkunde (Mietvertrag) vorlegen. Er kann nicht beantragen, ihn als Partei zu hören, um Beweis zu führen.
Er muss Beweis durch Vorlage der Urkunde führen.
▪ |
wegen eines anderen ggf. weiter gehenden Tatsachenvortrags, der in § 592 ZPO nicht genannt ist, nur Urkunden und auf Antrag Parteivernehmung. |
Rz. 86
Beispiel 3:
Der Beklagte beantragt, die Klage mit der Begründung abzuweisen, dass der Zahlungsanspruch des Klägers erfüllt sei.
Er ist im Besitz einer Quittung, in der der Beklagte schriftlich bestätigt hat, dass er die Zahlung erhalten hat.
Der Beklagte hat in diesem Fall die Möglichkeit, die Urkunde (Quittung) vorzulegen und den Antrag auf Parteivernehmung (er selbst) zu stellen.
3. Abstandnehmen vom Urkundenprozess, § 596 ZPO
Rz. 87
Da auch für den Kläger im Urkundenprozess die Beweisführung erschwert ist, kann er deshalb oder aus anderen Gründen, z.B. weil er die Abweisung der Klage im Urkundenprozess befürchtet, anders als der Beklagte, jederzeit und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz von dem Urkundenprozess Abstand nehmen.
Erfolgt eine Erklärung des Klägers dahingehend, dann wird das ordentliche Verfahren weitergeführt.
Hat der Kläger eine solche Erklärung abgegeben, kann er diese nicht mehr widerrufen. Er hat keinen Zugang mehr vom ordentlichen Verfahren zum Urkundenprozess.
4. Urteile im Urkundenprozess
a) Urteile bei Klageabweisung, § 597 ZPO
Rz. 88
Grds. kann eine Klage im Urkundenprozess wegen
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Unzulässigkeit, |
▪ |
Unstatthaftigkeit und |
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Unbegründetheit |
abgewiesen werden.
Rz. 89
In dem Urkundenverfahren ist in § 597 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO die Klageabweisung wegen Unstatthaftigkeit und Unbegründetheit erwähnt.
Hinsichtlich der Klageabweisung wegen Unzulässigkeit gibt es im Urkundenverfahren keine besonderen Vorschriften. Es gelten die allgemeinen Verfahrensgrundsätze der ZPO. Fehlen Prozessvoraussetzungen, ist die Klage immer als unzulässig abzuweisen.
§ 597 ZPO beinhaltet die letzten beiden genannten Klageabweisungsgründe.
Rz. 90
Die Klage wird als unstatthaft abgewiesen,
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wenn die in § 592 ZPO genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, |
▪ |
wenn der Kläger keinen Beweis durch Urkunden führt, |
Rz. 91
In diesem Fall ergeht ein klageabweisendes Prozessurteil.
Der Kläger kann gegen dieses Urteil, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, das Rechtsmittel der Berufung einlegen. Im Fall einer solchen Entscheidung kann der Kläger seinen Anspruch nochmals und unabhängig von einer (ggf. rechtskräftigen) Entscheidung im ordentlichen Verfahren geltend machen.
Rz. 92
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen, wenn z.B....