Rz. 35
Das Recht zur Ablehnung des Sachverständigen ist in § 406 ZPO geregelt. Nicht erforderlich ist, dass der Sachverständige wirklich befangen ist. Es genügt, dass die Partei aus ihrer Sicht einen plausiblen, gedanklich nachvollziehbaren Zweifel an der Unabhängigkeit des Sachverständigen hegen kann. Hierfür ist auf die objektive Sicht einer einigermaßen verständigen Partei abzustellen.
Zitat
"Für eine Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteilich ist oder ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen hat. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit rechtfertigt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen."
I. Absolute Ablehnungsgründe
Rz. 36
Nach § 406 Abs. 1 ZPO führen die Gründe, bei denen ein Richter kraft Gesetzes auszuschließen ist, auch bei einem Sachverständigen zwingend zu dessen Ablehnung.
Anders als beim Richter stellt es jedoch keinen absoluten Ablehnungsgrund dar, dass der Sachverständige in dem Verfahren bereits in der Vorinstanz als Zeuge oder Sachverständiger vernommen wurde (§ 406 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Grund hierfür besteht darin, dass der Sachverständige nicht an der Entscheidung mitgewirkt hat, die er nunmehr im jetzigen Verfahrenstand als Helfer des Richters vorbereiten soll.
II. Ablehnung aufgrund persönlicher Beziehungen zu den Parteien
Rz. 37
Insoweit kommen persönliche Freundschaft oder gute Bekanntschaft in Betracht. Wirtschaftliche Abhängigkeiten können ebenfalls die Besorgnis der Befangenheit begründen. Hier ist insbesondere daran zu denken, dass ein Sachverständiger regelmäßig beruflich mit einer Partei zusammenarbeitet.
Dieser Umstand allein reicht aber nicht aus, wenn an der wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Gutachters kein Zweifel besteht.
Zitat
"Ein Befangenheitsgrund ist nicht bereits darin zu sehen, daß der Sachverständige – wie der Kläger vorträgt – schon des Öfteren im Auftrag des Haftpflichtversicherers der Beklagten Privatgutachten erstattet hat. Das – selbst häufigere – Tätigwerden eines Sachverständigen für eine Versicherung reicht für sich allein nicht aus, um die Besorgnis einer Voreingenommenheit in einem Rechtsstreit hervorzurufen, an welchem ein Versicherungsnehmer desselben Versicherers beteiligt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Versicherungsgesellschaften sich unabhängiger Gutachter regelmäßig zu dem Zweck bedienen, den Sachverhalt aufzuklären und ihr Regulierungsverhalten darauf einzustellen, und nicht vorrangig das Ziel verfolgen, mit Hilfe eines Privatgutachtens, von welchem sie ein bestimmtes Ergebnis erwarten, Ansprüche durchzusetzen oder abzuwehren. Ob Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Gutachters gleichwohl dann aufkommen können, wenn dieser von der Versicherungsgesellschaft wirtschaftlich abhängig ist, kann dahin stehen. Der hier vom Landgericht beauftragte medizinische Sachverständige jedenfalls ist als Chefarzt einer Klinik für Urologie von dem Haftpflichtversicherer der Beklagten wirtschaftlich unabhängig, mag er auch für diesen häufiger Privatgutachten erstellen. Zumindest in einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Sachverständige sich seinem Auftraggeber in anderen Haftungsfällen auch im Rahmen eines Gerichtsgutachtens verpflichtet fühlt und es deshalb an der gebotenen Unparteilichkeit fehlen lässt (OLG Köln VersR 1992, 849). Hierfür muss ein objektiver Grund vorliegen, der aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass zu der Befürchtung geben kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unparteiisch erstatten. Bei Anlegung dieses Beurteilungsmaßstabes an das Vorbringen des Klägers, der Sachverständige sei in einer Vielzahl von Fällen für die Versicherungsgesellschaft und auch für die beklagte Versicherungsanstalt tätig gewesen, erweist sich der Ablehnungsantrag insoweit als unbegründet."
Zitat
"Es ist aber nicht außergewöhnlich, vielfach sogar die Regel, dass qualifizierte Sachverständige [hier ein Chefarzt der Orthopädie] für Versicherungsunternehmen Privatgutachten erstatten. [Man] würde diese Sachverständigen disqualifizieren und zwei Klassen von Sachverständigen schaffen, wollte man sie als gerichtliche Sachverständige in Rechtstreitigkeiten, in denen ein Versicherungsunternehmen Partei ist oder hinter einer Partei steht, generell als parteiisch behandeln. Vom Standpunkt einer verständigen, besonnen wägenden Partei kann dann auch allein aufgrund des Umstandes, dass der Sachverständige außergerichtlich für Versicherungsgesellschaften und so auch für die beklagte Versicherungsanstalt als Gutachter tätig war und künftig tätig sein wird, Misstrauen gegen eine Unparteilichkeit nicht aufkommen. (…) Es müssen schon besondere Umstände vorliegen, etwa dass der Sachvers...