Rz. 90
Die Willenserklärungen der in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben richten sich an den Abzuschichtenden, nicht wie bei einer normalen Erbauseinandersetzung gegeneinander, also eines jeden Miterben gegen alle anderen Miterben. Es handelt sich daher aus der Sicht der verbleibenden Miterben um parallel gerichtete Willenserklärungen gegenüber dem Abzuschichtenden. Auf solche gleichgerichteten Willenserklärungen werden die §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1789 Abs. 2 S. 2, § 1813 Abs. 1, 1824, 181 BGB nicht angewandt; es bedarf also für den Abschluss des Grundgeschäfts keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers für den minderjährigen Miterben (§ 1809 Abs. 1 S. 1 BGB), auch wenn noch andere minderjährige Kinder oder auch neben diesen ein Elternteil auf dieser Seite stehen, also in der Erbengemeinschaft verbleiben. Hier unterscheidet sich die Abschichtung von der vertraglichen Erbauseinandersetzung.
Rz. 91
Etwas anderes gilt aber, wenn zusätzlich zum Inhalt des Abschichtungsvertrags zugleich eine Abfindung aus dem Nachlass versprochen wird. Dies ist als eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses abweichend von den gesetzlichen Regeln zu qualifizieren (siehe Rdn 62 ff.). Dieser Abfindungsabrede liegt eine stillschweigende Einigung zwischen den Miterben zugrunde, wonach jeder Miterbe damit einverstanden ist, dass die Abfindung aus dem Nachlass an den Abzuschichtenden geleistet wird. Es handelt sich nicht nur um Vorgespräche, die das Motiv für den Abschichtungsvertrag bilden. Insoweit sind keine gleichgerichteten Willenserklärungen gegeben. Es bedarf daher in diesem Fall für den Abschluss des Grundgeschäfts für jedes Kind eines Ergänzungspflegers, § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB.
Rz. 92
Wenn der ausscheidende Miterbe ein Elternteil ist oder wenn er ein ausscheidendes anderes minderjähriges Kind vertritt, dann greift ebenfalls § 181 BGB; es ist für jedes Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen (§ 1809 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn der als Miterbe Ausscheidende mit dem Elternteil in gerader Linie verwandt ist (Großelternteil) oder wenn es sich um den Ehegatten (Stiefelternteil) des vertretungsberechtigten Elternteils handelt (§§ 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 181 BGB).
Rz. 93
Soweit es um den Vollzug des Grundgeschäfts durch Leistung der Abfindung an den ausscheidenden Miterben geht, handeln Eltern für das Kind in Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft; § 181 BGB ist insoweit nicht anwendbar. Es bedarf zu diesem Vertrag keines Ergänzungspflegers.
Aber in der Praxis wird der Pfleger nicht nur für den Grundvertrag bestellt, sondern für "die Abschichtung eines anderen Miterben". Der Pfleger wird also auch für das Vollzugsgeschäft bestellt.
Rz. 94
Das (vermögensmäßige) Ausscheiden des Miterben aus der Erbengemeinschaft geschieht nach § 712 BGB (§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) analog kraft Gesetzes zu dem von den Beteiligten festgesetzten Termin. Es bedarf also keines weiteren Vollzugsgeschäfts.