Rz. 95
Trotz des Ausdrucks "Abschichtungsvertrag" handelt es sich der Sache nach um einen (Teil-)Erbauseinandersetzungsvertrag.
Nach § 1643 Abs. 3 S. 2 BGB bedürfen Eltern bei der Vertretung ihres Kindes keiner familiengerichtlichen Genehmigung, wenn es im Wege der Abschichtung aus der Erbengemeinschaft ausscheidet. Fraglich ist, was gilt, wenn nicht das Kind, sondern ein anderer Miterbe abgeschichtet wird. Für diesen Fall besteht grundsätzlich keine Genehmigungspflicht, da nach dem Wortlaut das Gesetz keine Genehmigungspflicht anordnet. Auch §§ 1643 Abs. 1, 1851 Nr. 2 und 3 BGB greifen nicht, weil sich der Minderjährige nicht zu einer Verfügung über seinen Erbanteil verpflichtet, er bleibt in der Erbengemeinschaft. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften scheidet aus, weil die Vorschriften über gerichtliche Genehmigungserfordernisse nach heute h.M. formal auszulegen und daher nicht der Analogie fähig sind. Auch wenn ein Vormund (§ 1799 Abs. 1 BGB) oder ein Ergänzungspfleger (§ 1813 Abs. 1 BGB) handelt, ist in diesem Fall keine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, da auch § 1851 Nr. 3 BGB nur den Fall regelt, dass das Kind aus der Erbengemeinschaft ausscheidet.
Rz. 96
Eine Genehmigungspflicht kann sich aber stets für Eltern, Vormünder und Ergänzungspfleger ergeben, wenn die Verpflichtung zur Abfindungsleistung bzw. deren Erfüllung einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.
Beispiel
Es gibt vier Miterben: ein minderjähriges Kind, ein volljähriges Kind, deren Vater und den Bruder des Vaters (Onkel der Kinder). Der Bruder des Vaters soll aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, er soll abgeschichtet werden. Auf der einen Seite der Vereinbarung treten als Vertragspartner der Vater und die beiden Kinder auf, eines von diesen vertreten durch seine Mutter sowie durch seinen Vater, der zugleich für sich handelt. Auf der anderen Seite des Abschichtungsvertrags tritt der Bruder des Vaters auf. §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1, 181 BGB greifen nicht. Es bedarf keiner Bestellung eines Ergänzungspflegers, § 1809 Abs. 1 S. 1 BGB. Einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf es nicht, da das Gesetz keine Genehmigungspflicht anordnet, § 1643 Abs. 3 S. 2 BGB.
Wird dem Bruder/Onkel als Gegenleistung für das Ausscheiden seitens der Erbengemeinschaft die Leistung eines Grundstücks aus dem Nachlass versprochen, ist die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 BGB zu beachten. Der Grundvertrag und die Auflassung bedürfen zudem der familiengerichtlichen Genehmigung, §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 und 5 BGB. Denn der Minderjährige ist als Mitererbe gesamthänderischer Miteigentümer des Grundstücks. Der abgefundene Bruder/Onkel scheidet mit der Eintragung seines Eigentums am Grundstück kraft Gesetzes aus, wenn dieser Zeitpunkt im Abschichtungsvertrag festgelegt ist.