Rz. 58

Gem. § 1822 Nr. 3 BGB bedarf der Vormund (auch Eltern oder Ergänzungspfleger) zu einem Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb oder die Veräußerung eines Erwerbsgeschäftes gerichtet ist sowie zu einem Gesellschaftsvertrag, welcher zum Betrieb eines Erwerbsgeschäftes eingegangen wird, der familiengerichtlichen Genehmigung.

Erwerbsgeschäft ist dabei jede berufsmäßig ausgeübte, auf selbstständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird, gleichgültig ob es sich um Handel, Fabrikation, Handwerk, Landwirtschaft, wissenschaftliche, künstlerische oder sonstige Tätigkeit handelt.[72] In welcher Rechtsform das Erwerbsgeschäft betrieben wird, ist hierbei unerheblich.[73]

 

Rz. 59

Nicht unter die Definition des Erwerbsgeschäftes fällt hingegen die reine Vermögensverwaltung.[74] Eine reine Vermögensverwaltung liegt insbesondere vor, wenn alleiniger Gesellschaftszweck die Verwaltung und Erhaltung des eigenen Familienvermögens ist.[75] Auch die rein steuerliche Qualifizierung der Gesellschaft als gewerblich geprägte Gesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ändert nichts an der reinen Vermögensverwaltung, da keine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. In der Praxis sollte hier aber der Gesellschaftsvertrag stets ausdrücklich vorsehen, dass nur eigenes Vermögen verwaltet werden darf.

Eine Holding-Gesellschaft, die als Blocker-Gesellschaft GmbH-Beteiligungen nutzt und die Erträge anlegen soll, kann hingegen unter den Betrieb eines Erwerbsgeschäftes fallen.[76]

 

Rz. 60

Für die Abgrenzung zwischen Erwerbsgeschäft und Vermögensverwaltung wird beispielsweise die Dauer der Gesellschaft, der Umfang und Wert des zu verwaltenden Vermögens oder auch die Absicht in Zukunft weitere Vermögenswerte hinzuzuerwerben und zu verwalten, genauer untersucht.[77] In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung die Definition der reinen Vermögensverwaltung verschärft und eine Genehmigungsbedürftigkeit beispielsweise auch für Gesellschaften angenommen, deren Zweck die Verwaltung, Vermietung und Verwertung gewerblich genutzter Immobilien ist, wenn diese einen erheblichen Wert haben.[78]

 

Rz. 61

Der Erwerb oder die Veräußerung setzen eine Entgeltlichkeit voraus, sodass die schenkweise Übertragung grds. nicht genehmigungsbedürftig ist.[79] Für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages, welcher auf den Betrieb eines Erwerbsgeschäftes gerichtet ist, ist die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit hingegen unerheblich.[80] Auch der Beitritt in eine bestehende Gesellschaft wird jedoch häufig unter diese Vorschrift subsumiert und einer Genehmigungspflicht unterworfen.[81]

 

Rz. 62

Unter § 1822 Nr. 3 BGB fällt somit der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages einer Personengesellschaft (auch wenn der Minderjährige in einer KG nur Kommanditist wird[82]), sofern die Gesellschaft ein Erwerbsgeschäft ausübt. Ein Erwerbsgeschäft kann insbesondere angenommen werden, wenn der Minderjährige durch den Gesellschaftsvertrag ein Mitunternehmerrisiko übernimmt, indem ihm beispielsweise eine gesamtschuldnerische Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft auferlegt wird.[83] Kein Erwerbsgeschäft und somit keine Genehmigungspflicht liegt hingegen vor, wenn es sich bei der zu gründenden Gesellschaft um eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft handelt, deren Zweck allein auf das Halten und Verwalten des Familienvermögens beschränkt ist.[84]

[72] BayObLG, Beschl. v. 6.7.1995 – 1 Z BR 157/94, DNotZ 1995, 941, 942; Palandt/Götz, § 1822 Rn 5; Staudinger/Veit, § 1822 Rn 35.
[73] Bamberger/Roth/Bettin, § 1822 Rn 10; Palandt/Götz, § 1822 Rn 5.
[74] Hohaus/Eickmann, BB 2004, 1707, 1709; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 21; OLG Dresden, Beschl. v. 25.4.2018 – 17 W 160/18, ZEV 2018, 669, 670; OLG Jena, Beschl. v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, ZEV 2013, 521, 522; OLG Bremen, Beschl. v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, ZEV 2008, 608, 609.
[75] Palandt/Götz, § 1822 Rn 10; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 21; Staudinger/Veit, § 1822 Rn 76.
[76] LG München I, Beschl. v. 27.4.2000 – 13 T 16 886/99, ZEV 2000, 370, 371; Riedel/Riedel, PHB Unternehmensnachfolge, § 12 Rn 38.
[77] BayObLG, Beschl. v. 6.7.1995 – 1 Z BR 157/94, DNotZ 1995, 941, 943; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 21; OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.12.2014 – 11 WF 1415/14, NJW-RR 2015,840, 840; van de Loo/Strnad, ZEV 2018, 617, 621.
[79] Bamberger/Roth/Bettin, § 1822 Rn 11; BGH, Urt. v. 20.2.1989 – II ZR 148/88, NJW 1989, 1926, 1927 f.
[80] Palandt/Götz, § 1822 Rn 8; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 23.
[81] Palandt/Götz, § 1822 Rn 9; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 22.
[82] BGH, Urt. v. 30.4.1955 – II ZR 202/53, NJW 1955, 1067, 1069; Palandt/Götz, § 1822, Rn 9; MüKo/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn 21.
[83] Palandt/Götz, § 1822, Rn 9; Wachter/Ivo, ...

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