Rz. 16

Sind die gesetzlichen Vertreter nach den vorstehenden Gründen von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen, ist gem. § 1909 BGB für das Kind eine Pflegschaft anzuordnen.[14]

[14] Palandt/Götz, § 1629 Rn 13; MüKo/Huber, § 1629 Rn 44.

1. Der Ergänzungspfleger

 

Rz. 17

Man spricht von einer Ergänzungspflegschaft, da mit der Pflegerbestellung nicht generell, sondern nur für bestimmte Rechtsgeschäfte ein Pfleger anstelle der gesetzlichen Vertreter für den Minderjährigen handeln soll.[15]

[15] Vgl. auch Palandt/Götz, Einf. § 1909 Rn 1; MüKo/Schwab, Vorb. § 1909 Rn 2.

a) Person

 

Rz. 18

Für die Auswahl des Ergänzungspflegers ist allein das Interesse und das Wohl des Minderjährigen ausschlaggebend.[16] Oftmals wird in der Praxis einer der juristischen oder steuerlichen Berater der Beteiligten zum Ergänzungspfleger bestellt, wenn dieser über die entsprechende Eignung und Fachkunde verfügt.

[16] Palandt/Götz, § 1916 Rn 1.

b) Verfahren der Bestellung

 

Rz. 19

Die Bestellung des erforderlichen Ergänzungspflegers geschieht auf Antrag durch das zuständige Familiengericht.[17] Erlangen die gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen Kenntnis von einem Umstand, der sie an der Vertretung des Minderjährigen hindert, haben sie dies dem zuständigen Familiengericht unverzüglich gem. § 1909 Abs. 2 BGB anzuzeigen. Das Gericht entscheidet daraufhin über die tatsächliche Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft und ordnet diese entsprechend von Amts wegen an (§§ 1915 Abs. 1, 1774 BGB). Die von der Vertretung ausgeschlossenen Eltern können einen geeigneten Ergänzungspfleger vorschlagen. Das Gericht ist an diesen Vorschlag jedoch nicht gebunden,[18] wird diesem aber in der Regel folgen, wenn keine sachlichen Gründe entgegen sprechen.[19] Es folgt die Bestellung des Ergänzungspflegers und anschließend seine förmliche Verpflichtung (Bestallung).

 

Rz. 20

Bereits bei beachtlichem Zweifel an der Vertretungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter kann eine Ergänzungspflegschaft angeregt werden,[20] sodass es in der Praxis unter Umständen empfehlenswert ist im Zweifelsfall stets vorsorglich einen Ergänzungspfleger zu bestellen, welcher anstelle der gesetzlichen Vertreter das Rechtsgeschäft für den Minderjährigen vornimmt. Ist ein Ergänzungspfleger bestellt, wird der Minderjährige, unabhängig davon ob die Pflegschaft notwendig war, durch diesen vertreten.

[17] Vgl. zur Zuständigkeit nachfolgend B. III. 1.
[18] BeckOK-BGB/Bettin, § 1916 Rn 2; MüKo/Schwab, § 1916 Rn 2.
[19] Bürger, RNotZ 2006, 156, 179.
[20] Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 3603.

2. Aufgabenkreis

 

Rz. 21

Die Pflegschaft betrifft nur die Besorgung solcher Angelegenheiten, die durch das Familiengericht in der Bestellung festgelegt werden. Die Einrichtung einer Dauerergänzungspflegschaft wird in der Regel nicht angeordnet.[21] Die Pflegschaft endet gem. § 1918 Abs. 1 BGB, wenn der Minderjährige volljährig geworden ist oder der Grund für die ursprüngliche Anordnung entfällt und die Pflegschaft gem. § 1919 BGB aufgehoben wird.

[21] Baumbach/Hopt/Roth, HGB, § 105 Rn 27; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn 3603 a.

3. Mehrere Ergänzungspfleger

 

Rz. 22

Ist der Ergänzungspfleger durch § 181 BGB an der Vertretung mehrerer Minderjähriger verhindert, weil beispielsweise eine Mehrfachvertretung vorliegt, da zwischen sämtlichen zu vertretenen Minderjährigen Rechtsbeziehungen begründet werden, bei denen der Ergänzungspfleger auf mehreren Seiten des Rechtsgeschäftes auftreten müsste, muss für jeden Minderjährigen ein eigener Ergänzungspfleger bestellt werden.[22] Ein Ergänzungspfleger kann hingegen für mehrere Minderjährige handeln, wenn die zu vertretenen Minderjährigen auf derselben Seite des Rechtsgeschäftes stehen und insoweit gleichgerichtete Interessen verfolgen.[23]

[22] Palandt/Götz, § 1795 Rn 14; Wachter/Ivo, Praxis des Handels- & Gesellschaftsrechts § 19 Rn 8; Krafka, Registerrecht, Rn 701; OLG München, Beschl. v. 17.6.2010 – 31 Wx 70/10, ZEV 2010, 646, 647; Reimann, DNotZ 1999, 179, 183.
[23] Ivo, ZEV 2005, 193, 195; Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025, 3027; Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht/Ridder, § 32 Rn 75.

4. Rechtsfolgen fehlender Ergänzungspflegschaft

 

Rz. 23

Wird der Minderjährige trotz eines Vertretungsausschlusses von seinem gesetzlichen Vertreter vertreten, kann dies sowohl zivilrechtliche als auch steuerliche Nachteile mit sich bringen.

a) Zivilrechtliche Folgen

 

Rz. 24

Das vom gesetzlichen Vertreter geschlossene Rechtsgeschäft ist nicht nichtig, sondern gem. § 177 BGB bis zur Genehmigung durch den Ergänzungspfleger schwebend unwirksam.[24] Eine erteilte Genehmigung wirkt gem. § 184 Abs. 1 BGB dann zivilrechtlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäftes zurück.[25]

[24] Palandt/Götz, § 1795 Rn 14; Bamberger/Roth/Veit, § 1629 Rn 54; Staudinger/Veit, § 1795 Rn 69.
[25] BGH, Urt. v. 8.10.1975 – VIII ZR 115/74, NJW 1976, 104, 105; Palandt/Götz, § 1795 Rn 14; Staudinger/Veit, § 1795 Rn 69.

b) Steuerliche Folgen

 

Rz. 25

Der zivilrechtlich schwebend unwirksame Vertrag wird steuerlich nicht anerkannt. Die spätere Genehmigung durch den Ergänzungspfleger wirkt nur für die Zukunft, sodass das Rechtsgeschäft erst mit Erteilung der Genehmigung auch steuerlich anerkannt wird.[26]

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