Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 54
Für Verfahren in Familiensachen werden grundsätzlich dieselben Gebühren für die Tätigkeit des RA vor dem Familiengericht erhoben, wie für eine Anwaltstätigkeit vor einem Zivilgericht im Zivilprozess nach der ZPO. Speziell bei der Einigungsgebühr gibt es allerdings Besonderheiten. Nachdem unter den vorstehenden Rdn 16 ff. die Ermittlung der Verfahrenswerte dargestellt wurde, wird nachstehend die Berechnung der Anwaltsgebühren aufgezeigt.
Zunächst sollen die im Wesentlichen in Familiensachen entstehenden Gebühren vorgestellt werden. In späteren Kapiteln wird dann aufgezeigt, wie diese Gebühren in besonderen Fällen angewandt werden. Dies betrifft die selbstständigen Familiensachen, Verfahren im Scheidungsverbund, Scheidungsfolgenvergleiche, einstweilige Anordnungen und Abstammungssachen.
Rz. 55
Vorweg sind jedoch noch einige Definitionen zu klären. In Verfahren in Familiensachen werden gemäß FamFG andere Begriffe gebraucht als in Zivilprozessen nach der ZPO üblich sind. Nachstehende Tabelle gibt Ihnen eine Übersicht über die Begriffe des FamFG.
Begriff nach ZPO |
Begriff nach FamFG |
Fundstelle im FamFG |
Prozess |
Verfahren |
§ 1, § 113 Abs. 5 |
Partei |
Beteiligter |
§ 7, § 113 Abs. 5 |
Parteifähigkeit |
Beteiligtenfähigkeit |
§ 8, § 113 Abs. 5 |
Prozessfähigkeit |
Verfahrensfähigkeit |
§ 9, § 125 |
Prozessvollmacht |
Verfahrensvollmacht |
§ 11, § 114 Abs. 5 |
Klage |
Verfahrenseinleitender Antrag, Antragsschrift |
§ 23, § 113 Abs. 5, § 124 |
Kläger |
Antragsteller |
§ 113 Abs. 5 |
Beklagter |
Antragsgegner |
§ 113 Abs. 5 |
Prozessleitung |
Verfahrensleitung |
§ 28, § 113 Abs. 5 |
Urteil |
Beschluss |
§ 38, § 116 Abs. 1 |
Berufung |
Beschwerde |
§ 58 |
Revision |
Rechtsbeschwerde |
§ 70 |
Prozesskostenhilfe |
Verfahrenskostenhilfe |
§ 76, § 149 |
Streitwert |
Verfahrenswert |
§ 3 Abs. 1 FamGKG |
Rz. 56
Hinweis:
In der ZPO früher als Kindschaftssachen bezeichnete Sachen heißen jetzt Abstammungssachen; Kindschaftssachen betreffen nun Sorgerechtsfälle (§§ 151, 169 FamFG).
In Ehesachen und Familienstreitsachen gilt nach § 113 FamFG mit einigen Abänderungen durch das FamFG weitgehend das Verfahrensrecht der ZPO; für die Berechnung der Gebühren ist dies jedoch ohne Bedeutung. Allerdings dürfen nach § 113 Abs. 5 FamFG nur die Begriffe aus vorstehender Übersicht verwendet werden.
I. Die Anwaltsgebühren bei außergerichtlicher Tätigkeit
Rz. 57
Wenn der RA in einer Familiensache tätig wird – gleichgültig ob außergerichtlich oder im gerichtlichen Verfahren vor dem Familiengericht – erhält er für seine Tätigkeit im Prinzip dieselben Gebühren wie für eine Tätigkeit in jeder anderen Zivilsache. Diese Gebühren kennen Sie also bereits. Im Nachfolgenden sollen dennoch diese Gebühren speziell in Bezug auf die Tätigkeit in Familiensachen veranschaulicht werden.
Bei außergerichtlichen Angelegenheiten in einer Familiensache erhält der RA für seine Tätigkeit eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Hier gibt es eigentlich keine Besonderheiten zu beachten. Deshalb können Sie sich bei Bedarf in § 4 Rdn 2 ff. über die Geschäftsgebühr informieren. Neben der Geschäftsgebühr könnte eine Aussöhnungsgebühr oder eine Einigungsgebühr entstehen (siehe unter Rdn 58 und Rdn 61). Die Bewertung der außergerichtlichen Familiensachen erfolgt grundsätzlich nach denselben Regeln wie bei einer gerichtlichen Tätigkeit; Sie finden die Wertvorschriften des hier anzuwendenden FamGKG unter den Rdn 22 ff.
II. Die Anwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren
Rz. 58
Wenn der RA in einer Familiensache im gerichtlichen Verfahren vor dem Familiengericht tätig wird erhält er für seine Tätigkeit im Prinzip dieselben Gebühren wie für eine Tätigkeit in jeder anderen Zivilsache. Nachfolgend sollen gleichwohl diese Gebühren in ihrem speziellen Bezug auf die Tätigkeit in Familiensachen erläutert werden.
Für den RA entstehen im Verfahren vor dem Familiengericht die (Regel)gebühren der Nrn. 3100 ff. VV RVG (siehe auch § 7 Rdn 4 ff.). Für Tätigkeiten in Familiensachen können also grundsätzlich sämtliche Gebühren anfallen, die auch in einem normalen Zivilprozess entstehen können, also neben den (Regel)gebühren der Nrn. 3100 ff. VV RVG auch z. B. die Gebühren gemäß den Nrn. 3400 ff. VV RVG. Allerdings wird in Ehesachen (Scheidung) die Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV RVG durch die Aussöhnungsgebühr der Nr. 1001 VV RVG ersetzt (siehe Rdn 61). In der Regel können im Eheverfahren folgende Gebühren erwachsen:
Rz. 59
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Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG): Sie entsteht, sobald der RA beauftragt worden ist und eine entsprechende Tätigkeit ausgeführt hat, regelmäßig also bereits mit Entgegennahme der Information von dem Auftraggeber. Die Nr. 3101 VV RVG ist anwendbar. Bei vorzeitiger Erledigung der Sache erhält der RA also nur eine verminderte Verfahrensgebühr; bei gerichtlicher Protokollierung einer Einigung unter Einbeziehung einer vorher nicht rechtshängigen Scheidungsfolgesache in den Verbund erhält er zusätzlich eine Differenzverfahrensgebühr nach dem Wert der mit verglichenen nicht rechtshängigen Ansprüche, wobei § 15 Abs. 3 RVG zu beachten ist (siehe auch § 7 Rdn 25 und unten "Aussöhnungsgebühr"). |
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Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG): Die Terminsgebühr erhält der RA grundsätzl... |